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711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Peter Jankrift
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Während die alfonsinische Chronik den Sieg der |68| Christen eher übersteigert, spielen die arabischen Zeugnisse diesen zu einer Art Gnadenakt der Muslime herunter. Ihrer Darstellung zufolge handelte sich bei dem Zusammenstoß von Covadonga um ein unbedeutendes Scharmützel. Angeblich war eine Abordnung muslimischer Kämpfer ausgerückt, um einer Gruppe von dreihundert christlichen Rebellen den Garaus zu machen. In dem unwirtlichen Gelände entwickelte sich die Vernichtungsaktion zu einer Belagerung. Nachdem die Aufständischen in der Mehrzahl umgekommen und Pelayo nur noch dreißig ausgemergelte Gefolgsleute geblieben waren, entschieden sich die Belagerer zum Abzug. Eine Fortführung der Kampagne sei ihnen unnötig erschienen.

|66| Berber und Araber – Eroberer im Bruderstreit
    Das muslimische Heer, das 711 die Iberische Halbinsel eroberte, bestand vor allem aus Berbern und Arabern. Wahrscheinlich stellten nordafrikanische Berberstämme sogar das größte Kontingent. In der
umma
, der Gemeinschaft der Gläubigen, sollte die ethnische Herkunft keine Rolle spielen. Tatsächlich jedoch betrachteten sich die arabischstämmigen Muslime gegenüber islamisierten Angehörigen anderer Völkerschaften als Elite. Immerhin waren sie die ersten gewesen, die den neuen Glauben angenommen und den Lehren des Propheten Mohammed gefolgt waren. Arabisch war die Sprache des Korans. Die Verbreitung des Islams ging deshalb mit einer Arabisierung der eroberten Gebiete einher. Die arabische Sprache wurde dabei nicht nur von der islamisierten Mehrheitsbevölkerung zu religiösen Zwecken wie zur alltäglichen Kommunikation übernommen, auch Christen und Juden unter islamischer Herrschaft griffen auf das Arabische zurück. Auch das Berberische wurde mit der voranschreitenden Islamisierung Nordafrikas zurückgedrängt.
    Aber wer sind eigentlich die Berber? Sie sind keine einheitliche ethnische oder religiöse Gruppe, und auch die Beherrschung der berberischen Sprache ist nicht ausschlaggebend für die Zugehörigkeit. Nach wissenschaftlicher Definition zählen die meisten Bewohner Nordafrikas mit Ausnahme Ägyptens zu den Berbern. Heute bilden die Berber, die sich selbst oft als
Imazighen
(Singular
Amazigh
) bezeichnen, was so viel bedeutet wie »freie Menschen« oder »freie und edle Menschen«, einen bedeutenden Bevölkerungsanteil in Marokko, Algerien, Niger, Mali, Libyen, Tunesien und auf den Kanarischen Inseln. Der Ursprung des Wortes »Berber« ist nicht eindeutig geklärt, vieles deutet jedoch darauf hin, dass sich die Bezeichnung vom lateinischen
barbarus
ableitet. Erstmals taucht diese Bezeichnung der nordafrikanischen Nomadenstämme mit dem Einfall der Vandalen im 5. Jahrhundert |67| während der frühmittelalterlichen Völkerwanderung auf.
    Mit dem Vordringen der Araber in Nordafrika zwischen 642 und 669 begann sich der Islam unter den Berbern auszubreiten. Ihren Höhepunkt erlebte die Islamisierung jedoch erst in den 670er Jahren, nachdem die Omaijaden das Kalifat übernommen und Damaskus zur neuen Hauptstadt der islamischen Welt gemacht hatten. Entgegen aller Norm belegten die Araber auch die islamisierten Berber mit hohen Steuern und behandelten Konvertiten als Muslime zweiter Klasse. Selbst vor Versklavung durch die arabischen Herren waren die Berber nicht sicher. Obwohl die Berber maßgeblichen Anteil an der Eroberung der Iberischen Halbinsel hatten, kamen sie bei der Landverteilung nach eigener Auffassung zu kurz. Nicht nur in Spanien kam es deswegen immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Berbern. Der Unmut gegen eine solche Behandlung gipfelte 739/40 in einem offenen Aufstand, der von den sogenannten Charidschiten geführt wurde. Die Angehörigen dieser geistigen Strömung des Islams plädierten für die absolute Gleichheit aller Muslime. Ihrer Auffassung nach sollte der jeweils beste Mann ungeachtet seiner Herkunft das Kalifat innehaben. Angesichts ihrer Bedrückung durch die Araber erscheint es nicht verwunderlich, dass sich viele Berber den Charidschiten anschlossen. Infolge des Aufstands entstanden in einigen Gebieten Nordafrikas kleine, meist kurzlebige Herrschaften unter berberischer Führung.
    Angesichts solch gegenläufiger Aussagen, noch dazu in späten Quellen, lassen sich die tatsächlichen Ereignisse nicht zuverlässig rekonstruieren. Es besteht kein Zweifel daran, dass es bei Covadonga zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Asturiern und den Kriegern Allahs gekommen ist.

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