711 N. Chr. - Muslime in Europa
anderen philologische Tücken ins Lateinische zu übertragen. Eine verbesserte Fassung entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts ebenfalls in Toledo. Die Koranübersetzung des Mozarabers Markus von Toledo korrigierte manche Fehler, fand aber trotzdem nicht die ihr gebührende Verbreitung.
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Die erste Phase reger Übersetzungstätigkeit in Toledo endete mit dem Tod ihres wohl herausragendsten Vertreters Gerhard von Cremona im Jahre 1187. Das Wirken des Markus von Toledo, das in den zeitgenössischen Schriftquellen zwischen 1198 und 1212 belegt ist, wie auch des Michael Scotus zeigt, dass auch weiterhin Übersetzungen entstanden, wenn auch in geringerer Zahl. Michael Scotus, »der Schotte«, begleitete im Jahre 1215 den Erzbischof von Toledo auf seiner Reise zum IV. Laterankonzil nach Rom. Mit Hilfe eines jüdischen Übersetzers übertrug er eine astronomische Schrift des al-Bitrugi ins Lateinische. Außerdem begann er wohl noch in Spanien mit der Übersetzung des zoologischen Werks des Aristoteles. Wohl um das Jahr 1220 verließ der illustre Schotte |103| die Iberische Halbinsel und trat in die Dienste des Stauferkaisers Friedrich II. (1212–1250). Um die Mitte des 13. Jahrhunderts knüpfte König Alfons X., der Weise (1252–1284) an die erste Hochblüte der Übersetzung in Toledo an. Die Arbeitsweise hatte sich allerdings grundlegend verändert. Der Herrscher legte besonderen Wert auf die Förderung der kastilischen Sprache. Sie sollte dazu beitragen, dass sich unter den Bewohner seines Reiches ein kastilisches »Nationalbewusstsein« entwickelte. So wurden die Werke nicht länger ins Lateinische übersetzt, sondern direkt ins Kastilische.
Sieger werden zu Besiegten
Toledo war wieder in christlicher Hand, doch die Freude währte nur kurz. Der wichtige Etappensieg der Christen auf dem Weg zur Rückeroberung des gesamten Landes rief unvermittelt einen neuen, gefährlichen Feind auf den Plan: die Almoraviden. Die glaubensstrengen Berber, für die dem Kampf gegen die Ungläubigen besondere Bedeutung zukam, waren von ihren bedrängten Glaubensbrüdern auf der Iberischen Halbinsel zur militärischen Unterstützung aus Nordafrika herbeigerufen worden. War der Konflikt bis dahin vor allem davon bestimmt gewesen, möglichst große Gebiete zurückzuerobern oder zu halten, traten nun religiöse Aspekte in den Vordergrund. Schon bei der ersten größeren Konfrontation bekam König Alfons VI. von Kastilien-León zu spüren, aus welchem Holz die Almoraviden geschnitzt waren. Am 23. Oktober 1086 trafen die königlichen Truppen bei Zallaqa, dem heutigen Sagrajas in der Provinz Badajoz, auf den Feind. Das almoravidische Heer unter Führung Yusuf ibn Taschfins setzte sich aus drei Abteilungen zusammen: Eine bestand aus Kriegern der Taifenreiche, die zweite aus almoravidischen Berbern; die dritte Abteilung bildeten wohl schwarzgekleidete Elitekämpfer, die in den arabischen Berichten gesondert erwähnt werden. Anderen Meinungen zufolge handelte es sich bei letzteren um Schwarzafrikaner. Zahlenmäßig war das muslimische Heer der Armee Alfons’ VI. haushoch überlegen. Schätzungen zufolge traten etwa dreitausend christliche Streiter gegen rund fünftausend Muslime an. Das |109| christliche Heer wurde vernichtend geschlagen. Der Traum von weiterem Landgewinn in al-Andalus war damit zunächst einmal ausgeträumt. Die Almoraviden aber füllten das Machtvakuum aus, das durch den Zerfall des Omaijadenkalifats von Córdoba entstanden war. Zug um Zug eroberten sie die Taifenreiche, die der geballten militärischen Stoßkraft der Berber nichts entgegenzusetzen hatten, und schwangen sich zu den neuen Herrschern von al-Andalus auf.
|104| Gerhard von Cremona – auf der Suche nach dem besten Text
Der Italiener Gerhard von Cremona zählt zu den bedeutendsten Übersetzern, die im 12. Jahrhundert in Toledo wirkten. Er wurde um 1114 in Cremona in der Lombardei geboren und widmete sich in seiner italienischen Heimat intensiv dem Studium unter anderem der Philosophie. Sein besonderes Interesse galt dem »Almagest« des antiken Gelehrten Ptolemäus, in dessen dreizehn Bänden die Grundlagen der griechischen Astronomie in lehrbuchartiger Weise zusammengestellt waren. Allerdings gab es im christlichen Abendland kein Exemplar des Werkes, geschweige denn eine lateinische Übersetzung. Mit dem Ziel, auf Grundlage der besten Textversion eine solche zu erstellen, trat Gerhard die Reise nach Toledo an.
Wann genau er in Spanien eintraf, ist unklar.
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