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711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Peter Jankrift
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göttlicher Offenbarung zu stehen. Schon die Diskussion darüber hätte dazu geführt, die eigene Religion möglicherweise in Frage zu stellen. Der Geschichtsschreiber führt in seinem fantastisch-polemischen Bericht aus, dass Mathomus sehr zornig über seine Zurückweisung gewesen sei. Er habe nun überlegt, wie er der lateinischen Kirche Schaden zufügen könne. Die weiteren Ausführungen über die Bosheiten des Mathomus können wir hier getrost ausklammern und gleich zum grausamen Ende des Abtrünnigen übergehen, das der Chronist mit besonderer Schadenfreude schildert. Den Worten Guiberts zufolge wurde Mathomus immer wieder von epileptischen Anfällen heimgesucht. Bisher waren diese Manifeste göttlichen Zorns immer glimpflich verlaufen, da Anhänger dem Fallsüchtigen zu Hilfe kamen. Eines Tages aber sei Mathomus allein gewesen, als er wieder einmal einen Anfall bekam. Am ganzen Körper zitternd sei der Fallsüchtige zu Boden gesunken. Dieses Mal kam ihm niemand zu Hilfe – bei lebendigem Leibe fraßen ihn die Schweine, schließt Guibert seinen Bericht.
    So haarsträubend die Geschichte heute anmutet, unwissenden christlichen Zeitgenossen des 12. Jahrhunderts diente sie zur Erklärung dafür, warum Muslimen der Genuss von Schweinefleisch verboten war. Nicht genug damit, inspirierten solch abstruse Vorstellungen weitere Mohammed-Legenden im Bereich der Volksdichtung, die sich weiter Verbreitung erfreute. Ein ungleich kleineres Publikum nahm die 1143 fertiggestellte Übersetzung des Korans durch Robert von Chester und Hermann von Carinthia zur Kenntnis, die trotz mancher Fehler zuverlässiger ein Bild des Islams und des Propheten Mohammed zeichnete. Auch in gelehrten Werken finden sich zu dieser Zeit bereits ernsthafte Auseinandersetzungen mit der Thematik. Der katalanische Geistliche, Dichter und Philosoph Raimundus Lullus (1232/33–1316) beispielsweise beherrschte die arabische Sprache so |108| gut, dass er in den Predigten auf seinen Missionsreisen nach Nordafrika davon Gebrauch machen konnte. Er konnte den Koran im Original lesen. Wie sein Zeitgenosse Ricoldo von Monte Crucis (um 1243–1320), der einige Jahre in Bagdad gelebt hatte, konnte er auf Grundlage seiner genauen Kenntnis des Islams religiöse Streitschriften verfassen.
    War der Kampf um die Wiedergewinnung des verlorenen Landes bis dahin vor allem eine inneriberische Angelegenheit gewesen, so wandelt sich das Bild gegen Ende des 11. Jahrhunderts. In zunehmender Zahl kamen nun Auswärtige aus allen Teilen Europas auf die Iberische Halbinsel – um für deren Befreiung von der Herrschaft der Muslime zu kämpfen. Dieser Zustrom war dem verstärkten Interesse der Päpste geschuldet, die den Glaubenskampf mit großzügigen Ablässen vorantrieben. Deren Engagement beschränkte sich nicht auf die Iberische Halbinsel – Papst Urban II. hatte im November 1095 zum Kreuzzug ins Heilige Land aufgerufen. Seit das Erste Laterankonzil von 1123 bestimmt hatte, dass für diejenigen, die nach Spanien in den Kampf gegen die Muslime zogen, der gleiche Ablass gelten sollte wie für Kreuzfahrten nach Jerusalem, wuchs die Zahl auswärtiger Kombattanten. Manches Mal waren beide Schauplätze sogar auf wundersame Weise verknüpft: So ermöglichte die Waffenhilfe englischer und niederrheinischer Kreuzfahrer auf ihrem Weg in die Levante die Eroberung Lissabons am 24. Oktober 1147. Gleichsam im Vorüberziehen verhalfen diese Pilger in Waffen nur einen Monat später dem kastilischen König Alfons VII. (1126–1157) zur Einnahme der Hafenstadt Almería. Und auch dem Grafen Raimund Berengar IV. von Barcelona (1131–1162) kam die Anwesenheit von Kreuzfahrerkontingenten zugute: Von einer genuesischen Flotte unterstützt, gelang es ihm, 1148 Tortosa zurückzugewinnen. Zudem fassten die zwei größten geistlichen Ritterorden, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Heiligen Land entstanden waren, die Templer und die Johanniter, auch auf der Iberischen Halbinsel Fuß. Hinzu traten in der Folgezeit die an diesen Vorbildern orientierten Ritterorden von Calatrava, Alcántara und |110| Santiago sowie der Orden von Avís in Portugal, die im 13. Jahrhundert maßgeblichen Anteil am Fortgang der Reconquista hatten.

Glaubenswechsel oder Tod – die Almohaden kommen
    Der christliche Vormarsch um die Mitte des 12. Jahrhunderts führte erneut zu Umwälzungen im muslimischen Lager. Die Almohaden – Berber wie die Almoraviden, aber noch weitaus rigoroser in der Durchsetzung

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