711 N. Chr. - Muslime in Europa
heutigen Portugal einzunehmen. Die Almohaden hielten ihrerseits nach Kräften dagegen. Am 9. Juli 1195 errangen sie in der Schlacht bei Alarcos einen glänzenden Sieg über das Herr König Alfons’ VIII. von Kastilien (1158–1214). Diese Niederlage traf die Christen bis ins Mark. Den untereinander zerstrittenen Reichen von Portugal, Kastilien, Navarra und Aragón gelang es, ihre Kräfte angesichts der gemeinsamen Bedrohung zu vereinen. Es war erst wenige Jahre her, dass die Christen weite Teile des Heiligen Landes nach der verhängnisvollen Schlacht bei den Hörnern von Hittin in Galiläa 1187 an Sultan Saladin verloren hatten. Selbst Jerusalem hatten die Muslime zurückerobert. Es durfte nicht sein, dass die Christenheit auch auf der Iberischen Halbinsel in Bedrängnis geriet.
Der Anfang vom Ende
Papst Innozenz III. tat alles in seiner Macht Stehende, der europäischen Ritterschaft eine Beteiligung am Kampf gegen die Almohaden auf der Iberischen Halbinsel schmackhaft zu machen. Der Erfolg der päpstlichen Propaganda ließ nicht lange auf sich warten: Die Heere der iberischen Könige wurden durch starke Kontingente auswärtiger, insbesondere französischer Kreuzfahrer verstärkt. Nun war der geistliche Segen das Eine, der materielle Gewinn aber etwas Anderes: Als das Verbot erging, eroberte Festungen zu plündern, traten viele der fremden Ritter enttäuscht |113| den Heimweg an. Das Ritterleben war teuer, und so kamen die Kämpfer nicht auf ihre Kosten. Doch reichte die verbliebene Kampfesstärke aus, am 16. Juli 1212 das almohadische Heer unter Führung des Mohammed an-Nasir bei Las Navas de Tolosa vernichtend zu schlagen. Das war der endgültige Wendepunkt: Nach dieser Niederlage gelang es den Muslimen nie mehr, ihre christlichen Widersacher ernsthaft in Bedrängnis zu bringen. Gerade in diesem Moment aber endete die so wichtige Unterstützung durch den Heiligen Stuhl. War Innozenz III. einige Monate zuvor noch daran gelegen, dass nicht auch der iberische Kreuzzugsschauplatz den Christen entglitt, vollzog der Papst nun eine Kehrtwende: Im Jahre 1213 hob er den generösen Ablass kurzerhand auf, der den christlichen Streitern auf der Iberischen Halbinsel zuvor gewährt worden war. Er wollte die Aufmerksamkeit der Christenheit nun, nachdem das Schlimmste überstanden schien, wieder auf das eigentliche Ziel der Kreuzzugsbewegung konzentrieren – die Befreiung Jerusalems. Dadurch geriet die Reconquista einstweilen ins Stocken.
Zwei Jahrzehnte nach dem Triumph von Las Navas de Tolosa erhielt sie neuen Schwung. Nun war der Damm endgültig gebrochen. Im Jahre 1238 eroberte der kastilische König Ferdinand III. (1217–1252) Córdoba. Zur gleichen Zeit setzte Jakob I. von Aragón (1213–1276) mit dem bezeichnenden Beinamen »der Eroberer« der muslimischen Herrschaft von Valencia ein Ende, nachdem er bereits zehn Jahre zuvor Mallorca wieder unter christliche Kontrolle gebracht hatte. Sevilla fiel 1248 in christliche Hand; die geistlichen Ritterorden hatten erheblichen Anteil an der Eroberung der Stadt. Noch im selben Jahr stießen die Portugiesen bis zur Algarve vor. Die muslimische Herrschaft schmolz zusammen auf das Königreich Granada, das von den Nasriden regiert wurde. Noch zweieinhalb Jahrhunderte konnte sich diese letzte muslimische Bastion auf der Iberischen Halbinsel durch geschicktes Taktieren zwischen den Mächten halten. Das Schicksal Granadas wurde besiegelt, nachdem die Königreiche Kastilien und Aragón durch die Eheschließung zwischen den Katholischen Königen Ferdinand (1479–1516) und Isabella (1474–1504) vereinigt worden waren. Dass das letzte muslimische Reich im Süden Spaniens nun |114| verstärkt ins Blickfeld der Reconquista rückte, ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Osmanen als neue Bedrohung in Erscheinung traten. Sie hatten 1453 das altehrwürdige Konstantinopel überrannt. Die Hagia Sophia, das bedeutendste Gotteshaus der östlichen Christenheit, war nun eine Moschee. Doch damit war der Expansionshunger noch lange nicht gestoppt. Und so richteten sich die Augen Europas auch wieder auf die Muslime im Westen. Zehn Jahre währte der Krieg gegen Granada, bis der Nasriden-Emir Boabdil am 2. Januar 1492 die Waffen streckte.
Mit dem Fall Granadas endete die nahezu achthundertjährige muslimische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel. Die Sieger gaben sich zunächst großmütig: Den Besiegten wurde das Recht auf freien Abzug mit all ihrem beweglichen Besitz gewährt. Wer in
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