Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen

Titel: 72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
so wie des Umstands, daß sie genau dieselben Anzüge trugen wie daheim, war es gar nicht zu verwundern, daß bei ihrem Erscheinen das Geräusch des unterdrückten Lachens durch den Festraum ging.
    Die anderen noch fehlenden Personen waren entweder bei der Vorstellung beteiligt oder befanden sich in den Proszeniums- und Fremdenlogen. Zu diesen letzteren gehörten Milda von Alberg mit der Frau Bürgermeister Holberg, Max Walthers Mutter, ferner Rudolf von Sandaus Mutter und Anita, die Italienerin, welcher für heut auch eine kleine Aufgabe zuteil geworden war.
    Jetzt war alles vollzählig. Sämtliche Mitglieder des Orchesters saßen auf ihren Plätzen. Der Musikdirektor hatte die erste Violine übernehmen müssen. Er war nicht wenig stolz darauf, den jungen Mann entdeckt zu haben, unter dessen Direktion er heute zu geigen hatte.
    Da ging ein Flüstern durch den Raum. Der Fex war erschienen und an das Dirigentenpult getreten.
    „Das ist er – der damalige Geiger – der so lumpenhaft erschien – jetzt ein Baron – reicher Mann – steinreich!“ so flüsterte man sich zu.
    Er hob den Taktstock. Die Glocke gab das Zeichen, und die Ouvertüre begann.
    Es ist unnötig, ein künstlerisches Referat des Stückes und der Vorstellung zu geben.
    Der Stoff war der nordischen Götterlehre entnommen, Freya, die schöne, herrliche Göttin der Liebe, wird von Od, ihrem Gemahle, schändlich verlassen. Sie fühlt sich namenlos unglücklich darüber und irrt an den Enden des Himmels umher, trauernd und klagend, bis ihr Heimdall, der Herrliche, erscheint und mit seiner Liebe ihr ein größeres Glück bringt, als sie vorher besessen hatte.
    Sobald das Theater dem Publikum geöffnet wurde, waren alle Sänger und Sängerinnen versammelt, um sich in die Garderoben zu verteilen. Nur die berühmte Ubertinka fehlte noch. Warum kam sie nicht? Sie hatte doch die Hauptrolle und mußte sich darauf vorbereiten!
    Sie war aber bereits da. Durch eine kleine Hinterpforte war sie schon längst hereingeschlichen und hatte sich in ihre Garderobe eingeschlossen. Der Regisseur beruhigte die Kollegen durch die Erklärung, daß die Künstlerin keinen Augenblick lang auf sich warten lassen werde.
    Draußen begann die Ouvertüre und wurde glanzvoll zu Ende gespielt. Ein rauschender Beifall folgte. Der Fex war gezwungen, sich wiederholt zu verbeugen.
    Und da gingen die Gardinen der Königsloge auseinander. Der Herrscher hatte, hinter denselben verborgen, dem herrlichen Musikstück zugehört. Er wurde durch allseitiges Aufstehen von den Plätzen begrüßt.
    Nun begann die Introduktion, und der Vorhang stieg empor. Odin, der Allesbeherrscher, saß auf seinem Thron. Vor ihm waren die Götter versammelt. Heimdall, der Lichte, forderte die Hand der Schönsten von ihm, die Hand Freyas. Odin verweigerte sie ihm und erklärte, daß sie für Od bestimmt sei.
    Od, dessen Rolle der Krickel-Anton sang, entgegnete, daß er Freya noch nie gesehen habe und erhielt zur Antwort, daß er sofort in Liebe zu ihr entbrennen werde, wenn sie erscheine. Heimdall pries die Unvergleichliche und sagte Od, daß er von ihrer himmlischen Schönheit förmlich erschrecken werde.
    In einem Rezitativ gab Od zu verstehen, daß keine Schönheit ihn erschrecken könne und noch während er dies behauptete, fuhr er doch aufs höchste erschrocken zurück, nicht etwa, weil das in seiner Rolle lag, sondern aus wirklichem Schreck.
    Freya erschien nämlich, und er erkannte natürlich die Leni.
    Ihr Auftreten rief, noch ehe sie die Lippen geöffnet hatte, eine rund um sich greifende Bewegung im Publikum hervor. Und mit vollem Recht. Eine solche Erscheinung war wohl noch nie auf den Brettern gesehen worden.
    Schön, lieblich und erhaben stolz zugleich, schritt sie, ohne Od eines Blickes zu würdigen, bis zur Mitte der Bühne vor und begann zu singen.
    Sie trug das lang herabwallende, schneeweiße nordische Göttergewand, welches auf der einen Seite im Schlitz aufgerafft war, so daß man das herrliche, rechte Bein bis zum Knie herauf sah. Es war mit Sandalen bekleidet, von welcher aus sich goldene Spangen um die Wade emporschlangen. Auf den Schultern gerafft, gab es die schneeigen, vollen Arme bloß, an welchen diamantene Ketten und Ringe erglänzten. Um den prächtigen Busen legte sich ‚Brisingamen‘, der göttliche Brustschmuck der nordischen Mythologie, blitzend von echten Brillanten, Rubinen, Saphiren, Smaragden, Topasen und anderem Edelgestein. Auf dem Haupt saß der funkelnde Helm, unter

Weitere Kostenlose Bücher