72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
dreihundert Gulden geben, damit wir was zu essen haben und Kleider kaufen können.“
„Sie also, sie und immer sie!“
„Ja, sie hat für uns sorgt, du aber nicht.“
„Wie geht's der Mutter?“ erkundigte sich Anton, den schweren Vorwurf überhörend.
„Sie ist doch auch hier.“
„Wo denn, wo?“
„Dort! Da kommt sie!“
Er zeigte zurück, von woher jetzt die alte Frau herbeieilte.
„Anton, mein lieber Anton!“ rief sie aus, vor Freude weinend. „Da hab ich dich endlich!“
Sie schlang ihre Arme um ihn.
Er wußte nicht, was er sagen solle. Er wollte reden, brachte aber kein Wort heraus. Er hatte seiner armen, alten Eltern nicht gedacht, und doch waren sie so glücklich, ihn zu sehen. Er blickte in die abgehärmten Gesichter – abgehärmt? Oh, wohl noch mehr abgehungert! – und schlug die Hände vor das Gesicht.
Dann drückte er sie an sich, die Mutter mit dem rechten und den Vater mit dem linken Arm.
„Mutter, Vater!“ rief er aus. „Was habe ich tan! Wie ungut bin ich gewest!“
„Sei still!“ bat die Alte. „Wirst keine Zeit habt haben. Jetzt hat die Leni für uns sorgt. Nachher später wirst vielleichten auch du –“
Sie hielt inne, denn ihr Sohn hatte den Arm von ihr gelassen und sah nach der Richtung, in welcher sie auf Leni zeigte.
„Ah!“ sagte er. „Sie tanzt, und doch hat sie mir diese Tour versprochen!“
Er starrte auf sie und auf ihren Tänzer.
„Wer ist der feine, noble Herr, den sie bei sich hat?“ fragte sein Vater. „Ah, das ist doch der Graf, der bei uns gewest ist!“
„Kennt ihr ihn?“ fragte Anton.
„Ja. Er war mit der Leni oben auf der Alm.“
„Mit ihr, mit ihr? Ganz allein?“
„Ja. Und nachher sind wir mitsammen bei dem Kapellenbauern blieben.“
„Er mit ihr auf der Alm! Auf welcher?“
„Auf dem Kapellenbauern der seinigen.“
„Also auf der ihrigen, wo's früher gewest ist?“
„Ja.“
„Himmeldonnerwettern! Wartet einmal! Ich werd nachher gleich wieder kommen.“
Er sprang fort und schlüpfte zwischen den Tanzenden hindurch bis vor Leni und den Grafen hin, welche soeben ihre Tour beendet hatten und abseits stehend, miteinander sprachen.
„Da kommt er!“ flüsterte sie ihm zu.
„Ich werde ihn streng empfangen!“
„Nein, nicht streng, sondern nur ruhig! Bitte!“
Jetzt war der Anton da. Er richtete den flammenden Blick auf die beiden und sagte zur Sängerin:
„Du tanzt, tanzt mit einem andern? Und doch gehört diese Tour mir!“
„Sie gehörte Ihrem Vater“, antwortete Leni. „Und da derselbe keine Zeit hatte, konnte ich natürlich anderweit über sie verfügen.“
„Nein, sie gehörte mir!“
„Ich habe den Namen Warschauer aufgeschrieben und damit nicht Sie, sondern Ihren Vater gemeint!“
„Das geht mich nichts an. Nicht mein Vater hat um den Tanz gebeten, sondern ich habe Sie engagiert!“
Er befand sich in einer gewaltigen Aufregung. Es war ihm gar wohl zuzutrauen, daß er in derselben eine Gewalttätigkeit begehen werde. Darum nahm der Graf das Wort:
„Meiner Ansicht nach stehen beide Fälle sich gleich. Sie und Ihr Vater hatten sich zu begrüßen; dadurch wurde die Dame frei.“
„Aber warum für Sie?“
„Weil ich sie engagierte.“
„Gut! Jetzt aber bin ich nicht mehr verhindert. Ich will meine Tänzerin haben!“
Der Graf zuckte die Achsel.
„Tut mir leid! Jetzt nun ist das Engagement mein.“
„Dann eine Extratour.“
„Ich als Herr, der sie engagierte, habe das Recht, ihnen diese Extratour zu verweigern.“
Da flammten Antons Augen auf, und seine Hände ballten sich.
„Herr! Wissen Sie, was Sie tun?“
„Sehr wohl!“
„Sie wagen viel!“
„O nein, sondern die Dame würde ein Wagnis begehen, wenn Sie mit ihnen tanzte.“
„Wieso?“
„Sie würde sich der Gefahr aussetzen, daß ich mich von ihr von dem Augenblick an fernhielte an welchem sie sich von dem Geliebten der Tänzerin und Einbrecherin Valeska berühren ließe.“
Das war freilich eine Beleidigung! Der Anton machte eine Bewegung, als ob er sich auf den Grafen stürzen wolle.
„Herrrrrr Criquolini!“
Das klang so stolz, so befehlend und zurückweisend, daß Anton einen Schritt zurückwich; aber er rief mit knirschender Stimme:
„Graf, das ist eine todeswürdige Beleidigung!“
„Pah!“ antwortete der Graf achselzuckend.
„Ich werde Sie fordern lassen!“
„Ich habe Ihnen bereits in Wien gesagt, daß ich Sie nicht für satisfaktionsfähig halte.“
„Sie schlagen sich nicht mir
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