72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Frau schlug die Hände zusammen, daß es schallte, und ihr Mann machte ein Gesicht, auf welchem Freude und Enttäuschung miteinander kämpften.
„Oh, das ist's nicht, was mich so glücklich macht. Ich würde ihn ebenso innig liebhaben, wenn er nicht so reich und kein Graf wäre.“
„Ja, ein gar braver Herr muß er sein; das haben wir freilich sehen.“
„Gönnt's doch der Leni, daß sie so einen guten Mann bekommen tut?“
„Von ganzem Herzen! Aber einer kann mir leid tun, der Anton. Der ist ganz außer sich.“
„Er ist selber schuld.“
„Ja, heut könntst bereits längst seine Frauen sein. Er ist halt dumm gewest.“
„Wir waren nicht füreinander bestimmt.“
„O doch! Der Herrgott hat's schon haben wollen, aber der Anton hat sein Glück mit denen Füßen von sich stoßen. Was mag er machen?“
„Willst nicht nach ihm sehen?“
„Ja. Weißt wo er ist?“
„Er trat in den Gang. Wenn er nicht ganz fort ist, so befindet er sich in seiner Garderobe.“
„So bitt, zeig mir dieselbige!“
Leni führte die alte, besorgte Frau nach der Tür derselben. Als sie klinkte, fand sie diese verschlossen.
„Er ist drin“, sagte sie. „Klopf so lange, bis er öffnet, und laß nicht los. Es könnten ihm sonst dumme Gedenken kommen.“
Sie entfernte sich und die Frau begann zu klopfen. Sie tat dies lange vergeblich. Endlich hörte sie drinnen rufen:
„Wer ist draußen?“
Die Stimme klang so eigentümlich, ganz anders als diejenige ihres Sohnes.
„Ich bin's, deine Muttern“, antwortete sie.
„Was soll ich?“
„Mach auf, und laß mich eini!“
„Ich kann dich nicht brauchen.“
„Sei doch gut, und laß mich hinein! Ich möcht mit dir reden, Anton.“
„Später!“
„Nein, jetzund!“
„Mutter, ich bitt, laß mich allein!“
„Nein, grad allein sollst nicht sein, wannst mir nicht aufmachst so hol ich alle andern herbei und mach halt einen Spektakeln!“
Die Angst gab ihr diese Drohung ein, welche nicht ohne Erfolg blieb, denn er öffnete die Tür und sagte:
„So komm! Wirst dich aber nicht gar sehr an mir verlustieren.“
Er kehrte sogleich wieder auf den Stuhl zurück, auf welchem er gesessen hatte. Seine Mutter machte die Tür zu und trat näher.
„Herrgottle, wie schaust aus!“ rief sie erschrocken, als sie sein Gesicht erblickte.
Es war alle Farbe aus demselben gewichen. Er sah in diesem Augenblick um dreißig Jahre älter aus, als er war.
„Gefall ich dir nicht?“ fragte er.
Es klang wie Selbstironie und wie ein tiefer, tiefer Schmerz aus seinem Ton. Seine Stimme war belegt; sie hatte eine Klangfarbe, die noch niemals an ihr wahrgenommen worden war. Er saß gebückt, die Ellbogen auf den Knien und das Gesicht in die Hände gelegt. Sein Auge hatte einen fast irren Blick und einen fieberhaften Glanz.
„Nein“, antwortete sie. „So gefällst mir freilich nicht, gar nicht, Anton!“
„Ich sollt meinen, daß ich dir und dem Vatern schon lange nicht gefallen hätt!“
„Warum?“
„Weil ich so ein Wüster und Unguter war.“
„Anton, sag das doch nicht!“
„Ich muß es sagen, weil es die Wahrheiten ist. Ich bin allezeit ein schlechter Bub gewest.“
„Kind, Kind! Willst mich zum Weinen bringen!“
„Nein Mutter, weine nicht! Wirst gar oft schon über mich weint haben. Ich seh dir's halt an. Hast vor Leid weint über mich und auch gar vor Hunger.“
„Nein, nein! Wir haben allzeit was zu essen habt. Da brauchst dich nicht zu sorgen.“
„Nein, nix habt ihr habt, gar nix, wann die Leni euch kein Geld schickt hat.“
„Aber sie hat doch immer welches schickt!“
„Und von dem Sohn habt ihr keins erhalten?“
„Weil wir nachher keins brauchten.“
Er schüttelte den Kopf, zeigte auf einen Stuhl, welcher ganz in seiner Nähe stand, und sagte:
„Setz dich herbei, Mutter! Ich muß mit dir reden.“
Sie befolgte diese Weisung und nahm Platz.
„Schau Mutter“, fuhr er fort, „das ist heut ein Tag, wie ich noch keinen derlebt hab. Ich hab nicht denkt, daß so was möglich sein könnt. Ich hab immer denkt, daß ich derjenige bin, der da recht hat und nach dem sich alle anderen richten müssen. Nun aber ist's kommen so plötzlich und so gewaltig wie der Schlag einer Keulen. Es hat mich beinahe niederwürfen.“
„Darfst's dir halt nicht so zu Herzen nehmen.“
„Weißt denn, was es ist?“
„Ja.“
„Von der Leni?“
„Sie wird eine Gräfin.“
„Ja, das ist's! Schau, ich hätt also eine Gräfin zur Frau haben könnt, wann ich anderst
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