72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
Formen mehr hervortreten ließ als die gewöhnliche Damentoilette.
Die drei waren allein. Anton hatte weiter niemand geladen.
Die Tänzerin entwickelte im Trinken eine Übung und Ausdauer, welche Anton in das größte Erstaunen versetzte. Sein Staunen währte aber gar nicht lange, denn er wollte es ihr und dem Baron gleichtun und trank so schnell und viel, daß er bald betrunken war.
Er bemerkte nicht, daß die beiden andern von jetzt an nur noch nippten, während er sein Glas stets ganz leeren mußte. Und ebensowenig bemerkte er, daß ihm bei Gelegenheit der Baron einige Tropfen aus einer kleinen Phiole in das Glas schüttete.
Es war wenig nach Mitternacht, als er die Besinnung so vollständig verloren hatte, daß er vom Stuhl fiel und nicht einmal mehr zu lallen vermochte. Er schloß die Augen und war wie tot.
„Das ist der Schlaftrunk“, lachte der Baron. „Er kann uns nun nicht beobachten.“
„Was tun wir mit ihm?“ fragte Valeska. „Lassen wir ihn so liegen?“
„Nein. Wir ziehen ihn aus und legen ihn in das Bett. Da mag er schlafen.“
Die Tänzerin half, den Sänger zu entkleiden.
Als sie ihn in das Bett geschafft hatten, entfernten sie die Lampe aus dem Schlafzimmer, um im Dunkeln zu sein und also nicht gesehen oder gar beobachtet zu werden. Die Schlafstube lag nach dem Hof hinaus. Sie konnten über diesen und den angrenzenden hinwegblicken und die hintere Seite des Hauses der Mohrengasse sehen, in welcher Anton bis heute gewohnt hatte.
Da sahen sie Licht, sowohl in dem betreffenden Schlafzimmer des Parterres, als auch in demjenigen des ersten Stocks.
„Sie gehen beide schlafen, zu gleicher Zeit, der Fex sowohl als auch die Sängerin“, sagte Valeska. „Wir werden nicht lange warten müssen.“
„Eine Stunde immerhin. Wir müssen zu unserer Sicherheit annehmen, daß sie nicht so schnell einschlafen.“
„Aber wie nun, wenn sie Nachtlicht brennen?“
„Der Fex wohl schwerlich. Als armer Fährmann und Hungerleider ist er einen solchen Luxus nicht gewöhnt.“
„Aber die Ubertinka.“
„Die vielleicht eher. Aber wenn ich nach der Helligkeit der beiden Fenster schließe, so haben sie große Lampen brennen. Komm wieder heraus! Ich habe keine Lust, mich hierher zu stellen. Wir können ja von Zeit zu Zeit nachsehen und wollen noch ein Glas Wein trinken.“
Sie kehrten in das Wohnzimmer zurück. Dort setzten sie sich miteinander auf den Diwan. Wäre der Krickel-Anton nicht so sinnlos betrunken gewesen, und hätte er die beiden jetzt überrascht, so hätte er sehen können, daß er nicht der einzige Geliebte der Tänzerin sei.
Auch hier stand ein Schreibtisch. Der Sänger hatte vergessen, den Schlüssel abzuziehen. Das bemerkte der Baron. Er stand auf und schloß alle Fächer des Schreibtisches auf. Es gab da keinen extra zu verschließenden Kasten, und so kam es, daß der Suchende bald die Kasse Antons fand.
„Schau!“ sagte er. „Hier steckt sein ganzes Vermögen. Sapperment! Wer es doch hätte!“
Valeska kam herbei und begann zu zählen. Ihre Augen funkelten vor Begier.
„Das wird mein sein“, sagte sie. „Ich werde dafür sorgen, daß er mehr dazu verdient, und wenn ich dann genug zusammengerafft habe, so laß ich ihn sitzen. Schließ zu!“
Nur ungern wendeten die beiden ihre Blicke von dem Schatz ab. Nach einiger Zeit begab sich der Baron wieder in die Schlafstube und meldete, als er zurückkehrte:
„Die beiden schlafen. Die Fenster sind dunkel!“
„Das ist vorteilhaft. Aber nun fragt es sich, ob die Schlüssel passen. Schließen wir hier zu?“
„Natürlich nein. Wir müssen unserer eigenen Sicherheit wegen hier offen lassen, um uns schnell hier herein retten zu können, wenn der Streich mißglücken sollte. In diesem Fall würden wir verfolgt. Hast du deinen Dolch?“
„Ja. Du auch?“
„Das versteht sich. So ein Dolchmesser ist viel besser als ein Revolver. Es macht keinen Lärm und trifft das Herz viel leichter als eine Kugel. Hoffentlich schließt, wie das ja überall gebräuchlich ist, der Hausschlüssel auch die Hintertür. Ich werde alles herbeiholen.“
Er zog aus der Tasche seines Überrocks einige eingewickelte Gegenstände, welche er von ihren Hüllen befreite und dann zu sich steckte.
Die beiden konnten das alles in solcher Gemütlichkeit vorbereiten, weil sie dafür gesorgt hatten, nicht gestört oder beobachtet zu werden. Um bei dem beabsichtigten Gelage allein zu sein, hatte der Sänger seinen Lakaien zu Bett geschickt, und da die
Weitere Kostenlose Bücher