72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
denken? Es gibt in Wien einen Menschen, der schickt ihm schöne Dirndln zu. Er bezahlt für eine jede zwanzig Gulden, und was er dann mit ihnen macht, das kann man sich ja denken. Er verkauft sie in die Schand und das Elend hinein.“
„Ist's wahr?“ fragte Johannes. „Herrgott, da müssen wir uns beeilen, damit es der Anita nicht ebenso dergeht!“
Er wollte aufspringen. Sepp hielt ihn zurück und sagte lachend:
„Nur sacht! Du wirst die Welt auch nicht sogleich in zwei Minuten einreißen können. Was willst jetzt sogleich anfangen? Gar nix.“
„Aber so bedenke doch die Gefahr, in welcher sich Anita befindet! Bedenke dieselbe!“
„Kannst du sie etwa gleich jetzt befreien?“
„Nein, aber –“
„Aber – was denn? Gar nix! Was soll dir deine Ungeduld helfen, he? Bleib sitzen und trink dein Bier!“
„Herrgott, das soll ich aushalten?“
„Du mußt's aushalten. Andere stecken noch in viel größerer Gefahr, als die Anita.“
„Aber die gehen mich nix an!“
„So? Was geht dich denn die Anita an?“
„Die kenne ich.“
„Von dem einen Mal anschauen? Pah! Es gibt eine alte, gute Bekannte von mir, die steckt in noch viel schlimmerer Gefahr als die deinige.“
„Aber nicht hier, nicht in einer solchen!“
„Grad hier und grad in der ganz selbigen.“
„Wer wäre das?“
„Die Paula von der Talmühlen.“
„Bist des Teufels!“
„Nein. Sie ist auch verkauft worden an denselbigen Herrn Gärtner.“
„Sepp, ist das wahr?“
„Ja, ich weiß es ganz genau.“
„Das kann ich nicht glauben.“
„Wirst schon glauben müssen, wann ich es dir verzähle. Wir haben in Wien einen Kerl arretiert, welcher solche Dirndl an sich gelockt und verkauft hat. Er hat eine Liste darüber angelegt, und auf derselben hat auch standen ‚Paula Kellermann, Müllerstochter aus Scheibenbad‘. Nun, ist das der richtige Name?“
„Der ist's allerdings.“
„So brauchst auch nicht zu zweifeln. Die Paula ist verschollen. Kein Mensch kennt ihren Aufenthalt.“
„Derjenige muß ihn doch kennen, der sie verkauft hat!“
„Der hat aber gar nix einstanden!“
„So muß man ihn zwingen.“
„Womit?“
„Mit Prügeln, wann's nicht anders ist.“
„Das ist verboten. Man hat nix weiter derfahren, als daß diese Mädels alle an einen Herrn Gärtner verkauft sind, der sie bezahlt hat.“
„Die Frau des Juden sagte doch, daß er Geld nach Wien schickt habe.“
„So stimmt es ganz genau. Der Jude ist's.“
„So hat er am End auch die Paula bei sich?“
„Kann sein. Vielleicht ist sie in seinem Haus.“
„O nein. Die Anita hat sagt, daß die anderen schlecht seien, mit ihrem Schicksal ganz zufrieden. Das kann bei der Paula nicht der Fall sein.“
„Nein. Eher befindet sie sich in der Höhlen, von welcher die Anita erzählt hat.“
„Das ist möglich. Aber wo mag diese Höhlen sein?“
„Hat sie es nicht sagt?“
„Sie hat es nicht wußt.“
„Das ist schlimm. Wir müssen es erfahren.“
„Von wem?“
„Von dem Juden.“
„Aber wie? Er wird sich hüten, sein Geheimnis zu verraten. Das tut er nicht.“
„Vielleichten doch, wann man es klug anfängt.“
„Wie willst's denn anfangen?“
„Das weiß ich noch nicht. Ich muß es mir vorher überlegen. Wann der richtige Augenblick da ist, wird sich schon auch der gute Gedanke einstellen.“
„Magst nicht die Polizei zu Hilf nehmen?“
„Danke sehr.“
„Es ist aber wohl das beste.“
„Das allerdümmste. Es dauert mir viel zu lang, und die Herren bringen doch nix heraus. Selbst ist der Mann. Laßt mich nur gehen.“
Er tat einen tiefen Zug und dachte schweigend nach. Nach einer Weile schnipste er mit den Fingern und sagte:
„Ich hab's, ich hab's! Ja, der Wurzelsepp weiß schon, wo man den Floh anfassen muß, wenn man ihn fangen will!“
„Nun, was willst tun?“ fragte Max.
„Ich werd mit nach der Restauration gehen, in welcher ihr den Wein trinken wollt.“
„Mit uns?“
„Nein, allein.“
„Was willst denn dort?“
„Mit dem Juden reden.“
„Ihn etwa ausfragen?“
„Ja.“
„Da wird er nicht mittun.“
„Oho! Er wird gern mittun. Darauf könnt ihr euch gern und gut verlassen.“
„Wie willst du das anfangen?“
„Das laß nur meine Sach sein. Die Frag ist nur, welche Restaurationen es sein wird.“
„Das können wir ja vorher bestimmen.“
„O nein, denn ihr wißt ja gar nicht, ob dera Jud auch mit in diejenige gehen wird, die ihr euch ausgewählt habt.“
„Warum nicht?“
„Weil
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