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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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wusste immer noch nicht genau, ob er mir glaubte.
    »Wann starten Sie?«, fragte ich.
    »Sobald der Nebel sich hebt, geht es los«, antwortete er und ging zusammen mit Massa weg. Die beiden steckten die Köpfe zusammen, und ich wusste ganz genau, dass sie sich darüber unterhielten, wie viel Glauben sie mir schenken konnten.
    Drei Stunden später herrschte immer noch Nebel, aber er hatte sich ein wenig gelichtet, und die Piloten waren der Ansicht, dass man jetzt gefahrlos fliegen konnte. Während die Besatzungen sich auf den Start vorbereiteten, kam Garcia zu mir. »Wir fliegen jetzt los«, sagte er, »aber die Stelle, die Sie uns gezeigt haben, liegt in einer sehr hohen, abgelegenen Region der Anden. Das Fliegen ist dort schwierig, und ohne Orientierungspunkte werden wir Ihre Freunde zwischen den Bergen niemals finden. Glauben Sie, Sie könnten mitkommen und uns den Weg zu dem Flugzeugwrack zeigen?«
    Ob ich ihm eine Antwort gab und wenn ja, welche, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls spürte ich Sekunden später viele Arme, die mich in den Hubschrauber hoben und mich auf einem Notsitz im Frachtraum angurteten. Irgendjemand setzte mir Kopfhörer auf und brachte ein kleines Mikrofon vor meinem Mund in Stellung. Neben mir kletterten drei Mitglieder der Anden-Bergrettung in die Maschine.Vor mir saß der Copilot, und Kapitän Garcia griff zum Steuerknüppel. Während er den Motor hochfuhr, sah ich aus dem Fenster. Draußen stand Roberto. Er konnte als Einziger verstehen, welche Angst ich hatte, wieder in die Anden zu fliegen. Er winkte nicht, wir tauschten nur Blicke aus. Dann hob sich der Hubschrauber in die Luft, und mein Magen drehte sich um, während wir in Schräglage gingen und in östlicher Richtung an Geschwindigkeit gewannen, den Bergen entgegen. Anfangs krächzte nur technisches Gerede in meinen Kopfhörern, weil Garcia und der Copilot den Kurs festlegten, aber dann wandte der Kapitän sich an mich.
    »Okay, Nando«, sagte er, »zeig uns den Weg.«
    Ich dirigierte sie in das Tal. Wir folgten ihm über die chilenische Grenze hinweg in die argentinischen Anden. Ein zweiter, von Kapitän Massa gesteuerter Hubschrauber war uns dicht auf den Fersen. Der Flug war unruhig. Der Hubschrauber hüpfte und tanzte wie ein Schnellboot auf stürmischer See, aber es dauerte nicht lange: Nach zwanzig Minuten hatten wir das östliche Ende des Tals erreicht, und die gewaltige Masse des Mount Seler ragte über uns auf wie die Mauer einer gigantischen Festung.
    »Du lieber Gott«, murmelte jemand.
    Garcia ließ den Hubschrauber an einer Stelle schweben; sein Blick glitt hinauf zum schneebedeckten Gipfel des Berges und dann hinunter zu den schwarzen Steilhängen, die über tausend Meter tief zum Talboden abfielen.
    »Heilige Mutter Gottes«, sagte er, »Sie sind doch nicht da runtergekommen?«
    »Doch«, antwortete ich, »das war unser Weg.«
    »Wirklich? Sind Sie ganz sicher?«
    »Ganz sicher«, sagte ich. »Sie sind auf der anderen Seite.«
    Garcia sah seinen Copiloten an. »Mit so vielen Leuten an Bord sind wir ziemlich schwer«, sagte der Copilot. »Ich weiß nicht, ob wir genügend Kraft haben und über den Berg wegkommen.«
    Garcia erkundigte sich noch einmal. »Nando, sind Sie absolut sicher, dass das der richtige Weg ist?«
    »Ja«, schrie ich ins Mikrofon. »Ich bin sicher.«
    Garcia nickte. »Festhalten«, sagte er. Ich spürte, wie der Hubschrauber vorwärtsschoss, als die Piloten Vollgas gaben.Wir rasten auf den Berg zu, der Hubschrauber beschleunigte und begann dann langsam zu steigen. Als wir dem Massiv näher kamen, wurden wir von der turbulenten, von den Abhängen aufsteigenden Luft durchgeschüttelt. Garcia hatte Mühe, die Maschine unter Kontrolle zu halten. Die Motoren heulten, die Windschutzscheibe rüttelte in ihrem Rahmen, und mein Sitz schwankte so heftig, dass ich nicht mehr klar sehen konnte. Es war, als würde jede Niete und Schraube des Hubschraubers bis an ihre Grenzen belastet, und ich war überzeugt, dass die ganze Maschine jeden Augenblick auseinander brechen musste. Ein solches Chaos hatte ich schon einmal miterlebt, kurz bevor die Fairchild auf dem Felsgrat aufschlug, und als ich jetzt ein zweites Mal in dieser Situation war, packte mich die Panik. Sie stieg wie Übelkeit in mir hoch. Garcia und der Copilot bellten Kommandos in so schneller Folge in ihre Mikrofone, dass ich nicht unterscheiden konnte, wer gerade sprach.
    » Die Luft ist zu dünn!Wir haben nicht genug Auftrieb! «
    » Na los, gib Gas!

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