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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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große Lust zu reisen, aber meine Begeisterung für Motorsport hatte durch die Zeit in den Bergen nicht gelitten, und hier bot sich die Gelegenheit, die berühmtesten Fahrer der Formel 1 zu sehen. Also willigte ich ein. Wir waren noch nicht lange an der Rennstrecke, da erfuhr die Presse, dass ich zuschaute, und wenig später war ich von Fotografen umgeben. Ich ließ sie ihre Bilder schießen, dann gingen wir weiter.Wenige Augenblicke später überraschte mich eine Durchsage des Tribünenlautsprechers:
    » Nando Parrado, bitte melden Sie sich im Boxenbereich von Tyrell … «
    »Vermutlich will nur irgendeine Zeitung ein Interview von mir«, sagte ich zu meinen Bekannten. »Aber den Boxenbereich der Tyrell-Fahrermannschaft sollten wir uns nicht entgehen lassen. Also gehen wir. Dort haben wir die Chance, die Autos aus der Nähe zu sehen.«
    Als wir hinkamen, herrschte an den Tyrell-Boxen hektische Betriebsamkeit. Ungefähr zwanzig Mechaniker in blauen Arbeitsanzügen kümmerten sich um zwei wunderschöne Grand-Prix-Rennautos. Als ich meinen Namen genannt hatte, nahm ein Mechaniker mich am Arm und führte mich an den Wagen vorüber zu einem Asphaltplatz am hinteren Ende der Boxen, wo ein langes Wohnmobil stand. Der Mechaniker öffnete die Tür, bedeutete mir mit einer Handbewegung, ich solle eintreten, und ging dann wieder an seine Arbeit. Ich stieg ein paar Stufen hoch und trat in den Wohnwagen. Zu meiner Linken saß ein schlanker, dunkelhaariger Mann auf einem Sofa und zog an dem hellgrauen feuersicheren Rennanzug über seinen Beinen. Als er aufblickte, sah ich, wen ich vor mir hatte. Ich schnappte nach Luft und trat einen Schritt zurück.
    »Sie sind Jackie Stewart!«, platzte ich heraus.
    »Ja, der bin ich«, erwiderte er mit dem weichen schottischen Akzent, den ich im Fernsehen schon hundertmal gehört hatte. »Und Sie sind Nando Parrado?«
    Ich nickte wie betäubt.
    »Ich habe gehört, dass Sie hier sind, und habe Bescheid gesagt, dass man nach Ihnen sucht.« Dann erzählte er mir, er habe mich kennen lernen wollen, seit er die Geschichte von der Katastrophe in den Anden gehört hatte. Er sei sehr beeindruckt von dem, was ich getan hätte, und es mache mir doch hoffentlich nichts aus, mit ihm darüber zu reden.
    »Nein«, stammelte ich, »ich würde sehr gerne...«
    Er lächelte und sah mich von oben bis unten an. »Mögen Sie Autorennen?«, fragte er. Ich holte tief Luft. Wo sollte ich anfangen? »Sehr gerne«, sagte ich schließlich. »Ich habe mich schon als Kind dafür interessiert. Sie sind mein Lieblingsfahrer. Ich habe Ihre Bücher gelesen. Ich weiß über alle Ihre Rennen Bescheid, in meinem Zimmer hängt ein Plakat von Ihnen …« Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so weiterstotterte, aber er sollte begreifen, dass ich nicht nur ein schmeichlerischer Fan war. Ich wollte ihm klarmachen, dass ich mich mit seiner Fahrtechnik beschäftigt hatte und dass ich großen Respekt davor hatte, wie er seinen Sport beherrschte – mit welcher Bravour er mit seinem Auto an die Grenze des Machbaren ging, ohne sie jemals zu überschreiten, wie er Aggressivität und Eleganz, Risiko und Kontrolle ins Gleichgewicht brachte. Er sollte sehen, dass ich den Rennsport aus meinem Innersten heraus verstand und dass ich wusste, dass gute Fahrleistungen mehr mit Poesie denn mit Männlichkeitsgehabe zu tun haben.
    Als Jackie mit dem Anziehen fertig war, lächelte er freundlich. »Ich muss jetzt zur Qualifikation«, sagte er, »aber bleiben Sie in der Nähe der Boxen. Wir unterhalten uns, wenn ich zurückkomme.« Nach einer knappen Stunde war Jackie wieder da. Er zeigte mir sein Auto – ich durfte mich sogar hinter das Lenkrad setzen – und lud mich dann ein, mit ihm zur Vorbesprechung für das Rennen zu kommen. Ehrfürchtig hörte ich zu, wie Jackie mit seinen Ingenieuren und Mechanikern darüber diskutierte, welche Feineinstellungen sie im letzten Augenblick noch an Motor und Fahrgestell des Wagens vorgenommen hatten, um ihn für das Rennen fit zu machen. Nach der Besprechung unterhielt ich mich stundenlang mit Jackie. Er erkundigte sich nach den Anden, ich fragte ihn über Autorennen und Rennautos aus. Nach einiger Zeit war das Zusammensein mit ihm nicht mehr ganz so schwindelerregend. Trotz seines Ruhmes und seiner Stellung war er ein aufrichtiger, großzügiger Mensch, und als wir einander kennen lernten, stellte ich zu meiner Verblüffung fest, dass ich im Begriff stand, mich mit meinem Kindheitsidol anzufreunden.
    Ein paar

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