72 Tage in der Hoelle
war eine beeindruckende Aristokratin. Sie begrüßte mich freundlich, aber sie war sicher misstrauisch gegenüber einem 27-jährigen Rennfahrer, der hinter ihrer 19-jährigen Tochter her war. Ich gab mir Mühe, mein bestes Benehmen an den Tag zu legen, war allerdings bereits wahnsinnig verliebt, sodass es große Anstrengung erforderte, meinen Blick von Veronique zu wenden und mich daran zu erinnern, dass noch jemand anderes im Zimmer war.
Nach dem Mittagessen machten wir einen Ausflug in die romantische mittelalterliche Stadt Brügge mit ihren Kanälen und Kathedralen. Mit jedem Schritt spürte ich unsere Verbindung stärker werden. Als der Nachmittag zu Ende ging und ich sie nach Hause bringen musste, flehte ich sie an, mich in Mailand zu besuchen.
»Du bist verrückt!«, lachte sie. »Meine Mutter würde mich umbringen, wenn ich auch nur fragen würde.«
»Dann komm nach Spanien«, beharrte ich. »Nächste Woche habe ich ein Rennen in Jarama.«
»Nando, das geht nicht«, erwiderte sie. »Aber wir werden uns bald wiedersehen.«
Am Dienstag fuhr ich in meine Wohnung nach Mailand. Ich vermisste sie entsetzlich. Einen Tag später überraschte sie mich mit einem Telefonanruf und erklärte, sie komme zu mir. Ihre Entscheidung hatte nichts Leichtsinniges oder Impulsives. Sie hatte gründlich nachgedacht und dann ganz bewusst ihre Wahl getroffen.Wir waren in Belgien nur einen Tag zusammen gewesen, aber es stand außer Zweifel, dass wir uns sehr mochten. Jetzt entschied sie über ihre Zukunft.War ich bereit, das Gleiche zu tun?
Am Donnerstagabend holte ich sie in Mailand auf dem Bahnhof ab. Sie stieg nur mit einem Rucksack und einer kleinen Reisetasche aus dem Zug, sah wunderschön aus, und ich verliebte mich sofort aufs Neue in sie. Veronique kam mit nach Jarama, anschließend fuhren wir nach Marokko und machten dort ein paar Wochen Urlaub. Mir wurde klar, dass ich vor einer wichtigen Entscheidung stand. Ich hatte mir selbst bewiesen, dass ich das Zeug zum Spitzenklasse-Rennfahrer hatte, aber wenn dieser Traum Wirklichkeit werden sollte, musste ich mich immer stärker für den Rennsport engagieren. Er hätte zum Mittelpunkt meines Lebens werden müssen, und ein solches Leben hätte eine Frau wie Veronique nicht interessiert, das wusste ich ganz genau. Konnte ich meinen sehnlichsten Wunsch gerade jetzt aufgeben, da er in Erfüllung ging? Eines war mir klar:Wenn wir zusammen wohnen würden, dann in Uruguay. Hatte ich die Kraft, mein glamouröses Leben gegen lange Tage in den Eisenwarengeschäften meines Vaters einzutauschen, Bilanzen zu erstellen, Bestellungen aufzugeben, Lieferungen von Schrauben und Muttern zu verfolgen? Letztlich stellte sich die Frage gar nicht. Nach allem, was ich in den Bergen gelernt hatte, konnte ich nicht anders, als mich richtig zu entscheiden. Ich würde meine Zukunft zusammen mit der Frau gestalten, die ich liebte.
Im Frühjahr 1978 war meine Rennfahrerkarriere Vergangenheit, und ich war zusammen mit Veronique nach Montevideo zurückgekehrt. 1979 heirateten wir. Wir zogen in ein kleines Haus in Carrasco und gingen daran, unser gemeinsames Leben aufzubauen. Veronique fand Arbeit als Model, und ich stellte fest, dass mir die Tätigkeit in den Eisenwarengeschäften Spaß machte. Graciela und Juan arbeiteten dort schon seit drei Jahren, und zusammen bauten wir die Firma unter der Anleitung unseres Vaters zur größten Baumarktkette des Landes aus.
Im Laufe der Jahre ergaben sich auch andere Gelegenheiten. So wurde ich 1984 gebeten, für den Kanal 5 des uruguayischen Staatsfernsehens eine Sendereihe über Motorsport zu produzieren und zu moderieren. Ich hatte zuvor noch nie vor einer Kamera gestanden, aber es war eine Chance, wieder in der Welt des Rennsports dabei zu sein, und ich ergriff sie. Beim Fernsehen entdeckte ich meine neue Leidenschaft, die in eine zweite Berufslaufbahn mündete. Heute produzieren und moderieren Veronique und ich insgesamt fünf Reihen für das uruguayische Fernsehen, darunter Sendungen über Reisen, Natur, Mode und aktuelle Ereignisse. An der Produktion der Sendungen sind wir in allen Stadien beteiligt: Wir schreiben Drehbücher, übernehmen Redaktion und Regie, wählen sogar die Musik aus. Die Fernseharbeit befriedigt mein Bedürfnis nach kreativer Tätigkeit, und unsere Erfolge auf diesem Gebiet zogen auch andere geschäftliche Aktivitäten nach sich, darunter auch ein Kabelfernsehunternehmen. Der Aufbau aller dieser Firmen kostete viel Arbeit, und immer wieder
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