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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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Monate später nahm ich Jackies Einladung an und besuchte ihn in seinem Haus in der Schweiz. Dort lernte ich seine Familie besser kennen, und unsere Freundschaft wurde tiefer. Stundenlang unterhielt ich mich mit Jackie über Autos und Autorennen, und dabei versuchte ich, alles zu behalten, was er sagte. Schließlich gestand ich ihm, dass ich schon als Kind davon geträumt hatte, Rennautos zu fahren.
    Jackie nahm mein Interesse ernst und ermutigte mich, das ebenfalls zu tun. Im Jahr 1974 trat ich auf seine Empfehlung in die Fahrerschule von Jim Russell im britischen Snetterton ein. Es war damals die weltweit führende Ausbildungsstätte für Rennfahrer, und ihre Absolventen, darunter beispielsweise Emerson Fittipaldi, fuhren rund um die Welt auf den wichtigsten Rennstrecken. An der Russell-Schule trainierte ich in eleganten Formel-1-Wagen von Ford, die in jeder Hinsicht so spektakulär waren, wie ich es mir als Kind erträumt hatte. Damit bewies ich mir selbst, dass ich alle Voraussetzungen für einen guten Rennfahrer erfüllte.
    Nachdem ich die Ausbildung abgeschlossen hatte, zog ich wieder ins heimatliche Südamerika, und während der beiden nächsten Jahre beteiligte ich mich in Uruguay, Argentinien und Chile an Motorrad- und Stock-Car-Rennen. Ich konnte mich über eine stattliche Zahl von Siegen freuen, aber ich träumte stets davon, auf den großen Rennstrecken in Europa zu fahren. Es dauerte nicht lange, dann ging der Wunsch in Erfüllung. Im Jahr 1973 wurde ich beim Großen Preis von Argentinien – demselben Rennen, bei dem ich auch Jackie Stewart kennen gelernt hatte – mit dem britischen Rennveranstalter Bernie Ecclestone bekannt gemacht, der heute zu den Gründervätern der modernen Formel 1 gerechnet wird. Schon damals war Bernie eine der einflussreichsten Gestalten in der internationalen Rennsportszene, und ihm gehörte der berühmte Rennstall Brabham. Wie Jackie, so erkannte auch er meine Leidenschaft für den Rennsport, und das wurde zur Basis einer engen Freundschaft. Wir haben den Kontakt seither beibehalten, und er wachte über meine kurze Rennfahrerlaufbahn. Anfang 1977 erfuhr ich von Bernie, dass der angesehene Autodelta-Rennstall von Alfa Romeo neue Fahrer suchte. Er bot mir an, ein Vorstellungsgespräch zu arrangieren, und wenige Wochen später reiste ich mit drei weiteren südamerikanischen Fahrern – Juan Zampa, Mario Marquez und Eugene »Chippy« Breard – zur Alfa-Romeo-Verwaltung nach Italien. Unsere Gespräche mit den Autodelta-Managern verliefen gut, und im Mai 1977 fuhren Juan, Mario, Chippy und ich als Mannschaftskameraden bei den Langstreckenrennen der Europäischen Tourenwagenmeisterschaft mit. Jetzt führte ich das Leben, von dem ich immer geträumt hatte: Ich trat mit schönen Autos auf den berühmtesten Rennstrecken der Welt gegen die besten Fahrer an. Wir schnitten gut ab: Sowohl im englischen Silverstone als auch in Zandvoort in den Niederlanden belegten wir den zweiten Platz, und den ersten Sieg verbuchten wir in Pergusa, einer sehr schnellen Rennstrecke in Süditalien. Mit jedem Rennen wuchs mein Selbstvertrauen. Ich fuhr jetzt gleichmäßiger und ausgewogener, mit mehr Präzision und Geschwindigkeit. Dabei wagte ich immer mehr und bewies mir, dass ich selbst im Wettbewerb mit den Allerbesten bestehen konnte. So verwirklichte ich Stück für Stück meinen Kindheitstraum – den Traum, die Poesie in der Kraft und Präzision einer schönen Maschine zu entdecken.
    Es war ein unglaublich faszinierendes Jahr, voller Spannung, mit großen Herausforderungen, interessanten Menschen und luxuriösen Reisen. Ich lebte in einem Wirklichkeit gewordenen Traum, und als wir im September zu einem Rennen auf der Strecke von Zolder nach Belgien kamen, hatte ich keinen Grund zu der Annahme, er werde zu Ende gehen. Aber als unser Team in den Tagen vor dem Rennen die Autos fertig machte, kam ich auf der Suche nach einer Cola in einen von Philip Morris gesponserten VIP-Bereich, und dort lief mir eine große blonde Frau mit rotem Blazer und enger weißer Hose über den Weg. Sie wandte mir den Rücken zu, aber irgendetwas an ihr ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben. Dann drehte sie sich um und lächelte.
    »Nando?«, sagte sie.
    »Veronique?«, stotterte ich. »Was machst du denn hier?«
    Ich kannte sie: Veronique van Wassenhove war in Uruguay geboren, ihre Eltern waren belgische Auswanderer. Sie war eine faszinierende junge Frau, groß und gertenschlank, mit langen Haaren und großen grünen

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