73 - Der Dukatenhof
ist.“
„Wie alt ist dieser Brunnen?“
„So alt, als ich auf dem Feldhof bin. Er grub ihn gleich in der ersten Zeit und nur bei Nacht.“
„So weiß die Gemeinde gar nichts davon?“
„Nein, weil es zu viel Umstände macht. Nur die Mutter hat es gewußt und ich. Die Mündung ist in der Hinterkammer neben der Scheune, wozu er nie den Schlüssel herausgibt. Darum muß ich auf die Wiese.“
„Und das ist gut, Martha, sonst hätte ich dich jetzt nicht gesehen!“
„Wirst mich auch heute am Abend sehen, wenn ich es möglich machen kann. Er geht wieder um acht Uhr zur Ruhe.“
„Ja, komm, Martha! Wirst große Freude anrichten, und sollte ich nicht sofort daheim sein, so komme ich sicher noch, ehe du gehst. Lebe wohl!“
„Lebe wohl, Frieder!“
Sie blickte ihm nach, wie er dem Braunen die Sporen gab und mit eleganter Sicherheit auf demselben über die breiten Gräben setzte. Wie war er doch so ganz anders als die Männer, welche sie bisher kennengelernt hatte, besonders aber als der Vater! Sie durfte ihm gar nicht erzählen, wie dieser sie und die Mutter am Morgen mißhandelt hatte. Es war noch viel ärger gewesen, als sie angedeutet hatte, und wenn sie auch den eigentlichen Grund nicht kannte, der den Feldbauern über den nächtlichen Gang Frieders in solche Wut versetzt hatte, sie wußte doch, daß diese Zornesergüsse wiederkehren würden, da es nicht in ihrer Absicht lag, dem wilden Mann das junge, emporsprossende Glück ihres Innern zu opfern.
Frieder kam nach Hause. Er mußte darüber lächeln, daß seit seinem Hiersein ihn der Waldschwarze fast mehr in Anspruch nahm als das Bachgut. Er war abermals gezwungen, den Feldbauern zu belauschen, und zwar ohne Verzug; er konnte daher den Eltern nur kurze Auskunft erteilen.
„Nun, wie war's auf dem Amt?“ fragte der Vater.
„Ganz, wie ich gedacht habe. Sie wollten alles wissen; ich habe ihnen bloß gesagt, daß ich mich gegen den Schwarzen maskiere. Dann mußte ich von euch erzählen und bekam darauf die Erlaubnis, zu tun, was ich für gut halte.“
„Ja, warum sagst du nicht, was dir begegnet ist im Wald? Wenigstens uns kannst du es doch erzählen. Wir sind so sehr erschrocken, als wir hörten, daß du es machst wie der Franz; wirst uns wohl auch so ein Herzeleid bringen, wie er. Was soll daraus werden?“
„Nichts anderes, als daß ich den Schwarzen fange, Vater! Darauf kannst du dich verlassen.“
„Ja, grad so wie der Franz und ich! Dann wirst du eines Tages am Baum gefunden, oder du kommst eines Morgens heim ohne Auge und Licht!“
„Vater, sorge dich nicht! Ich bin groß und alt genug, um zu wissen, ob ich sicher gehe.“
„Ich war's auch!“
„Und grad jetzt weiß ich ganz genau, daß er mir nicht schaden kann. Er ist schon fast in meiner Hand.“
„Fast – in deiner Hand –?“ Der Blinde sprang auf, und auch die Mutter trat hinzu. Sie hatte das Wort noch nicht ergriffen, weil der Vater ja auch ihre Gedanken aussprach. „Ist's wahr, Frieder, sag' schnell, ist's wirklich wahr?“
„So wahr, als ich vor euch stehe!“
„So rede, was ist's? Schaffe ihn mir zur Stelle, rasch, damit ich ihn unter mir zerdrücke, wie der Funken zerstiebt unter dem Hammer, der Eisen zermalmt. Suche ihn, bringe ihn; ich will ihn, muß ihn haben, sofort, ohne Verzug!“
Ein einziger Augenblick hatte den alten Mann in eine Aufregung versetzt, die ihn alles andere vergessen ließ. Frieder suchte ihn zu besänftigen.
„Du sollst ihn haben, aber jetzt noch nicht. Es ist noch nicht die rechte Zeit dazu!“
„Die rechte Zeit ist stets da, ist immer da, auch jetzt! Oder weißt du noch nicht, wer's ist?“
„Ich weiß es, aber ehe ich den Namen nenne, muß der Beweis vollständig sein und ohne Lücken. Darum habe noch einige Zeit Geduld! Du bist der erste, der ihn von mir empfängt, das will ich dir versprechen!“
Frieder ging. Hinter dem Dorf, da, wo der Wald sich von der Höhe hernieder zu neigen begann, hatte man einst nach Erz gegraben. Der Ertrag war in der ersten Zeit lohnend gewesen, nach und nach aber so gesunken, daß man den Bau aufgegeben hatte. Noch heute trat die Taubgesteinhalde weit aus dem Berg hervor, um deren Rand sich eine rohe, hölzerne Umzäunung zog, zum Zeichen, daß der Zugang für den Unberufenen verboten sei. Der Platz gehörte nun zum Areal des Feldhofs, und der jetzige Bauer hatte an Stelle des kleinen, verwitterten Häuschens, welches das Mundloch des noch immer offenen Schachtes bedeckte, eine Scheune errichtet,
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