73 - Der Dukatenhof
Märcheninsel aus, auf welcher es hellichte Freude über den neuen Besitzer gab.
„Weißt, Marie, was ich machen werde, wenn du nichts dagegen hast?“ sagte Anton.
„Nun, was?“ fragte sie.
„Ich baue das Häusle wirklich, von dem ich gesprochen habe.“
„Hast denn ein Geld dazu?“
„Nein.“
„Wovon willst du es denn bauen?“
„Von Holz und Stein. Ich nehme keinen Baumeister, keine Maurer und auch keine Zimmerleute. Ich mache alles selber. Das bringe ich schon zusammen. Für meine Musterarbeit brauche ich drei Stunden am Tag. Die übrige Zeit baue ich. Das Holz zu den Balken leiht mir der Förster. Die Steine breche und sprenge ich mir aus dem Bergle selbst heraus; das kostet nichts, und ich bekomme dadurch Platz und Land für das Gärtle. Wenn ich recht fleißig bin, kann ich bis zum Winter fertig sein. Dann kommst du und machst das Stüble und die Kammer fertig. Einen Ziegenstall baue ich auch dazu, damit die Abfälle nicht verloren gehen, sondern in Milch verwandelt werden. Und wenn dann im Frühjahr alles fertig und hübsch beisammen ist, so lassen wir die Schneeglöckchen und Narzissen blühen und machen zu Ostern die Hochzeit. Bist einverstanden? Gelt?“
„Ja, wenn du so schön bauen kannst, so muß es wohl so werden“, antwortete sie. „Und daheim gibt es einen Schlüssel für meine Schublade, in der wohl an die fünfzig Taler liegen, die ich mir zusammengeklöppelt habe. Davon kannst du dir immer einen holen oder zwei oder drei oder fünf, wenn du sie brauchst. Denn die Wäsche und das andere alles, was ein Mädchen nötig hat, um Frau zu werden, das liegt schon fertig da.“
„Du willst mich also wirklich, wirklich nehmen?“
„Ja.“
„So gib mir einen Kuß auf dieses Wort!“
„Nein, heut' noch nicht. Den gibt's erst am Altar. Willst du mir das versprechen, Anton? Liebhaben wollen wir uns, so recht von Herzen lieb. Und arbeiten wollen wir. Und wenn das Häusle fertig ist, so kommt der Lohn dafür. Das ist der erste Kuß und da müssen zwei dabei sein, nämlich der Herrgott und der Herr Pfarrer. Ist dir das recht?“
„Du willst es, und so bin ich einverstanden.“
„Ich danke dir! Nun gehen wir nach Haus. Brauchst mich nicht zu begleiten, wir sind ja zu zweien. Wie ich dich kenne, so bleibst noch ein bißchen da, schaust dir das Bergle an und gehst auf der Wiese hin und her, um über das Häusle nachzudenken. Morgen kommst dann zum ersten Mal zu mir in die Stube und sagst mir, wie es ausschaut und wieviel Fenster es haben wird. Nicht wahr?“
„Ja“, antwortete er glücklich lachend. „So wird es wohl sein.“
„Da hast meine Hand. Gute Nacht, Anton! Von jetzt an bist mein Bräutigam!“
„Und du meine Braut. Gute Nacht, Marie!“
Auch der Freundin wurde die Hand gedrückt; dann gingen die Mädchen heim. Marie fühlte sich unendlich glücklich. Als sie sich zur Ruhe gelegt hatte, konnte sie noch nicht schlafen. Erst betete sie. Dann dachte sie über sich und ihr armes, arbeitsvolles Leben nach. Sie war als vater- und mutterloses Waisenkind von Gemeinde wegen an den Wenigstfordernden ausgeboten worden. Da hatte sich eine unterstützungsbedürftige Witwe gefunden, welcher das Kind mit einem Erziehungsbeitrag von wöchentlich einem Achtgutegroschenstück übergeben worden war. Dieser Beitrag hatte aber auch zugleich die materielle Grundlage für die Zukunft ihrer eigenen Kinder gebildet. Wieviel da auf jedes hungrige Mädchen kam, das kann man sich wohl denken. Die kleinen Händchen lernten niemals spielen. Kaum, daß sie sich bewegen konnten, trat die Arbeit schon an sie heran. Die Witwe war eine Spitzenklöpplerin, und es stellte sich heraus, daß Marie für diese Beschäftigung eine seltene Begabung besaß. Als sie die Schule verließ, konnte man ihr schon die verwickeltsten Muster anvertrauen. Sie brachte mehr fertig als jede andere, und jetzt gehörte sie zu den wenigen Glücklichen, die nicht mehr für den Massenunternehmer, sondern nur noch auf lohnende Privatbestellung zu arbeiten brauchten. Hierdurch war das Waisenkind nun eine kräftige Stütze für die Witwe und ihre Kinder geworden. Die älteste Tochter derselben, eben jenes Mädchen, welches mit Marie heute beim Musterwirt gewesen war und nächstens mit einem armen Weber Hochzeit machen wollte, hatte es nur der geschickten und unermüdlichen Ziehschwester zu verdanken, daß sie das nicht mit leeren Händen zu tun brauchte. Wegen dieser Geschicklichkeit wurde Marie allgemein die ‚Klöppelmeisterin‘
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