73 - Der Dukatenhof
Dorf und macht Lärm; man soll soviel Stricke und Leitern mitbringen, als man fassen kann; auch eine Schur ist vielleicht zu gebrauchen, so lang als möglich. Lauft; ich bleibe alleweil hier, bis ihr wiederkommt, und werde mich umschauen, wie die Hilfe am besten geht!“
Die Nachricht, welche die Knechte in das Dorf brachten, erregte ein ungeheures Aufsehen. Wer sich von zu Hausen losmachen konnte, der eilte nach dem Felsenbruch, und in kurzer Zeit hatte sich eine zahlreiche Menschenmenge in dem Kessel und an den Seiten desselben versammelt. Jeder hatte irgend ein Werkzeug mitgebracht, von dem er glaubte, es hier gebrauchen zu können, und es wurden die verschiedensten und abenteuerlichsten Ansichten darüber laut, in welcher Weise die Verunglückten aus ihrer jetzigen Lage befreit werden könnten.
„Ich habe mir die Sache gehörig angeschaut und gefunden, daß mit Leitern doch nicht viel auszurichten ist“, meinte Gustav, auf einige Männer zeigend, welche beschäftigt waren, einige Exemplare der erwähnten Werkzeuge zusammenzubinden. „Man müßte sie mit dem Seil emporziehen, und dann treffen sie noch immer nicht richtig an.“
„Was hast du hier zu gebieten!“ wies ihn der kleine Richter zurück. „Hier sind schon ganz andere Leute als du, und die werden schon sagen, was zu tun ist!“
„Ja, das ist wahr! Und du verstehst's gewiß am allerbesten. Du wartest, bist du groß genug geworden bist, langst dann hinauf in die Höhle und nimmst den Oheim samt dem Heinemann herunter. Ein andermal aber wartest du, bis ich mit dir gesprochen habe; das merke dir!“
Hierauf wandte er sich von ihm ab.
Den Oheim mußte er haben, gleichviel, ob derselbe tot oder lebendig war; jede verlorene Minute wurde ihm zur Ewigkeit; aber er sah ein, daß er hier nichts als warten könne. Seine Ansicht erwies sich als die richtige; Leitern waren bei der beträchtlichen Höhe, in welcher die Höhle lag, nicht anwendbar; auch ein von oben herabgelassenes Seil reichte nicht nahe genug an sie heran, da die Felsenwand gerade über ihr um mehrere Fuß hervortrat. Diese beiden Umstände versetzten die Versammlung in allgemeine Ratlosigkeit, und mit dem Zeichen des Beileides betrachtete man zwei Frauen, welche den bisherigen Bemühungen mit gespanntem Interesse gefolgt waren.
Kathrine und ihre Mutter hatten sich eingefunden, und als jetzt keine Hilfe möglich schien, irrten die Augen der ersteren angstvoll unter den Anwesenden umher, bis sie einige Gestalten entdeckten, welche abseits von den anderen an dem Felsen lehnten.
„Komm, Mutter, dort ist der Gustav! Der weiß vielleicht noch Rat und Tat!“ meinte die Tochter.
Sie zog die Angeredete zu der kleinen Gruppe und reichte dem Genannten die Hand.
„Ist's wirklich wahr, Gustav, daß es kein Mittel gibt, den Vater herabzuholen?“
„Ich weiß noch etwas, Kathrine! Der Knecht hat schon die Schnüre und auch die Seile, und hier kommt grad der Bote, den ich nach dem Hammer geschickt habe und nach dem Spitzeisen. Paß auf, jetzt wird's versucht!“
Ein Riß, zuweilen senkrecht aufsteigend, zuweilen waagerecht fortlaufend oder ein kurze Bogenlinie beschreibend, zog sich in den Steinwand vom Boden aufwärts und strich ganz nahe an der Öffnung der Höhle vorüber. Auf ihn hatte Gustav sein Augenmerk gerichtet. Es war, allerdings unter vielen Gefahren, vielleicht möglich, die bald enge, bald sich erweiternde Spalte zum Erklimmen der Felsenmauer zu benutzen.
Nachdem er das Nötige zu sich gesteckt hatte, begann er das schwierige, höchst waghalsige Unternehmen. Sich nach der Art der Schornsteinfeger mit Knie und Ellbogen empor schiebend, gelangte er langsam und stetig höher und höher; hunderte von Augen verfolgten seine Bewegungen, und je weiter er aufrückte, desto stiller wurde es unter den atemlos spannenden Zuschauern. Jeder falsche Tritt oder Griff, die leiseste Unvorsichtigkeit oder das geringste Nachlassen seiner Kraft mußte ihn in die Tiefe stürzen. Die Spalte war der Verwitterung mehr ausgesetzt als die geschlossene Felsenmasse; das Gestein bröckelte bei jeder Berührung, und wenn es ihm auch gelang, die Höhle zu erreichen, so war doch vorauszusehen, daß er sie auf demselben Weg nicht verlassen könne.
„So etwas kann nur ein Haubold wagen, der den Teufel hat!“ bemerkte der Richter. Er vermochte dem kühnen Jünglinge doch seine Anerkennung nicht zu versagen.
„Schweigt mit dem Teufel, Richter!“ mahnte der Pfarrer, welcher in der Nähe stand. „Das ist nicht
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