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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Satanswerk, sondern ein Mut und eine Hochherzigkeit gegen den Wiesenbauer, die eure harten Herzen erweichen und euren Aberglauben besiegen sollten!“
    Der Zurechtgewiesene gab keine Antwort; er fühlte die Wahrheit dieser Worte, obgleich sein Vorurteil ihnen widerstrebte. Ein lauter Jubelruf ließ ihn wieder zur Höhe blicken. Gustav hatte die Höhle erreicht, schwang sich hinein und blieb für eine geraume Zeit für die Umstehenden verschwunden.
    Sein erster Blick fiel auf den Oheim, welcher wie tot am Boden lag. Ohne an die eigene Ermüdung zu denken, kniete er bei ihm nieder, um ihn zu untersuchen. Das Klopfen des Pulses war leise und langsam, aber deutlich zu vernehmen.
    „Es ist noch Leben in ihm!“ rief er freudig. „Der Fall hat ihn betäubt, und wenn im Innern nichts zerrissen ist, so kommt er wohl wieder auf! Wie steht's denn nun aber mit dir, Heinemann? Ist's noch immer wie gestern, als du sagtest: ‚Fahr zu, Teufelsbub; ich mag dich nicht in meiner Nähe leiden!‘ Oder ist dir jetzt vielleicht mein Kommen recht?“
    Der Gefragte gab keine Antwort; er sah schrecklich angegriffen aus und barg stöhnend sein Gesicht unter beide Hände.
    „Ich werde dich mit dem Seil hinunterlassen. Steh auf, und zieh es mit herauf!“
    „Ich kann nicht“, wimmerte der Bauer. „Mir ist das eine Bein entzwei.“
    „Da wirst du viel auszustehen haben, ehe du hinabgelangst. Aber nimm die Plage zu Herzen, Wiesenbauer, und frag' dich, wer's auf dem Gewissen hat, wenn der Oheim stirbt!“
    Er zog Hammer und Spitzeisen aus der Tasche und trieb das letztere so weit in das Gestein, daß der hervorstehende Teil einen festen und sicheren Anhalt bot, dann langte er eine aufgerollte Leine hervor und warf, während er das eine Ende derselben festhielt, dasselbe über den Rand der Höhlung hinab. Nun bog er sich weit vor und rief dem untenstehenden Knechte zu:
    „Paß auf; jetzt kommt die Schnur! Mache das Seil daran, und schicke auch Tücher und Decken herauf!“
    Dem Gebot wurde Folge geleistet, und bald sah man den an das Seil befestigten Wiesenbauer in der Höhe erscheinen und sich an der steilen Wand herabgreifen. Als er den Boden erreichte, schloß er die Augen, und einige unartikulierte Laute waren alles, was die Herbeieilenden aus ihm herausbrachten. Kathrine und ihre Mutter sanken weinend bei ihm nieder.
    Einige Zeit darauf schwebte ein umfangreicher Pack herab. Es war der in die verlangten Decken geschnürte Tannenbauer.
    „Er ist tot“, berichtete man sich, als er aus der Umhüllung gewickelt war. „Der Böse hat ihn zerschellt; er ist ganz blau im Gesicht, und die Zunge hängt ihm gar weit heraus! Jetzt kommt auch sein Neffe; schaut zu, ob der nicht stürzt!“
    Gustav hatte die Schlinge des Seiles um das Spitzeisen befestigt und turnte sich mit langsamen Griffen zur Erde hernieder. Er hatte das fast Unmögliche geleistet, und je näher er kam, desto deutlicher war zu bemerken, daß ihn die übermäßig angestrengten Kräfte verließen. Noch hatte er den Boden nicht erreicht, da ließen die Hände vom Seil, und er stürzte vollends herab.
    Kathrine hatte der gefährlichen Seilfahrt mit angsterfülltem Herzen zugeschaut, sie warf sich mit einem Schrei des Entsetzens über ihn und küßte, ohne auf die Umstehenden zu achten, seine erbleichenden Lippen.
    „Gustav, ich bitte dich um Gottes willen, stirb mir nicht!“ rief sie. „Schlage doch die Augen auf, und schau mich an! Was soll sonst aus uns werden?“
    Eine leise, zuckende Bewegung ging über sein totenblasses Gesicht. Dann flüsterte er:
    „Kathrine, laß uns alle nach dem Tannenhof tragen, und bleibe auch du mit der Mutter!“
    Der Klang ihrer Stimme hatte die fliehende Besinnung für einen Augenblick noch festgehalten, nun aber senkten sich die wieder geöffneten Lider von neuem. Drei Männer lagen bewußtlos nebeneinander, und es schwieg die Feindschaft, welche eine so tiefe Kluft zwischen ihnen gerissen hatte. – – –
    Es war Nacht, und der trübe Schein eines kleinen Lämpchens erhellte das vordere Zimmer der Ruine nur notdürftig. Heinemann erwachte aus dem ersten ruhigen und tiefen Schlaf, welchen die Schmerzen seines gebrochenen Beins ihm gegönnt hatten. Nur wenige Tage waren vergangen, seit er dem Feind zum Hohn und Ärger den Teufel an das alte Gemäuer gemalt hatte, und nun war ihm die Klause des verhaßten ‚Einsiedels‘ zum wohltätigen Asyl geworden. Seit dem Augenblick, an welchem er unter seinem Torweg die Worte: „Wenn sich der

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