73 - Der Dukatenhof
Schuld dazu. Es wäre zuviel diesmal, als daß er es ohne Zahlung riskieren könnte, sagt er.“
„Ich weiß es schon; er soll alles haben! Heute steht mein ganzer Reichtum auf dem Spiel; drum seid fein hübsch vorsichtig, bis ich komme! Hier ist der Zettel. Stecke ihn in das Loch!“
Er reichte etwas über den Zaun hinüber und kehrte dann, während der andere sich entfernte, nach dem Wohnhaus zurück. Dort stieg er die Treppe empor und trat in das Zimmer, welches ausschließlich nur für seinen Gebrauch bestimmt war, und zu dem kein Mensch außer ihm jemals Zutritt bekam. Einen Schreibsekretär von einer Arbeit und Form, welche auf hohes Alter schließen ließen, öffnend, setzte er sich vor denselben nieder, zog ein Buch hervor, schlug es auf und begann, die auf den Blättern befindlichen Zahlenreihen zu überrechnen. Sein schon sonst so strenges Gesicht verfinsterte sich mehr und mehr, und als er auch die letzte beschriebene Seite geprüft hatte, erhob er sich, ließ die geballte Hand dröhnend auf die Notizensammlung fallen und murmelte ingrimmig zwischen die Zähne:
„Alle, alle ist's mit mir! Kein Stein, kein Ziegel von dem Dukatenhof ist mein. Ich bin kaputt; ich bin bankrott; ich muß gehen und vor dem Amt erklären, daß ich nichts mehr habe! Daran ist niemand schuld als der Baron, der Bergwirt und der Agent, dieser Heimtücker, der, welcher einen durch seine blaue Nasenquetsch anstarrt wie die Klapperschlange den Vogel, so daß man nicht anders kann, als man muß zu ihm hin!“
Der Grimm trieb ihn mit großen Schritten in der Stube hin und her. Plötzlich aber blieb er stehen.
„Nein, noch ist nicht alles verloren; noch gehört der Dukatenhof mir, und meine Knöpfe und Ketten darf ich behalten. Der Baron hat ja die Emma gewonnen! Damit hat er meinen Schaden gewollt, aber es wird mir nur zu Nutzen sein, denn er darf doch seinen eigenen Schwiegervater nicht vom Hof jagen. Und darauf brauche ich mich nicht mal ganz allein zu verlassen. Ich habe heut' alles auf die letzte Karte gesetzt, und wenn's gelingt, so ist der Gewinn grad so groß, wie aller Verlust bisher. So köstlich und teuer ist noch niemals ein stilles Gut über die Grenze geschafft worden wie heute, und es muß gelingen, denn ich habe es schlau genug angestellt, daß wir nicht erwischt werden. Die Grenzer sind falsch berichtet und werden zwei Stunden weit von hier auf uns warten, während wir grad vom Dorf aus über die Berge gehen. Das Geld dazu hab' ich mit großer Mühe zusammengebracht; aber ich kann es schon daran wagen, denn es kommt doppelt wieder zurück.“
Er öffnete ein verborgenes Fach des Sekretärs und zog einige Pakete und Beutel hervor.
„So, jetzt kann's fortgehen. Die Kapuze hab ich im Wald; aber die Gewehre müssen wir heut' fortlassen, weil wir so schon fast über unsere Kraft zu tragen haben.“
Er schloß das Möbel wieder zu, verlöschte das Licht und stieg hinab. Mit den Jahren überlegter geworden, verließ er das Haus nicht durch die Hoftür, wie es früher stets geschehen war, sondern er ging durch den Stall in die Scheune und trat durch den hinteren Ausgang derselben in den Garten.
Hier blieb er zunächst eine Weile stehen, um sich zu überzeugen, daß niemand zugegen sei, der ihn bemerken könne. Früher war er nur aus reiner Neigung zuweilen durch den Forst gestrichen, um irgendein Wild abzulauern; die Verluste im Spiel aber hatten ihn auf den Gedanken gebracht, sie durch einen lohnenden Nebenverdienst wieder auszugleichen; aus dem Wilderer war ein Schmuggler geworden, und zwar ein Schmuggler, der es, ganz seinem Charakter angemessen, nicht auf gewöhnlichem Weg versuchte, sondern kühn und gewalttätig sich den Gesetzen entgegenstellte und es in kurzer Zeit so weit gebracht hatte, daß der Name, welchen er sich beilegte, ebenso bekannt war, wie seine Person in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt blieb.
Durch die nächtlichen Abenteuer war sein Auge für die Finsternis geschärft worden, und so bemerkte er, daß er nicht allein sei. Jener Stamm, welcher den Köpfle-Franz zum Krüppel gemacht hatte, war damals wieder in seine frühere Lage zurückgebracht worden; der Bauer hatte ihn nie verarbeiten lassen, obgleich der Bedarf dazu stets dagewesen war; es hatte sich etwas in seinem Innern, dessen Namen er nicht kannte, gesträubt, die Säge an das Holz zu legen, und so nahmen die beiden Stämme nach so langen Jahren immer noch dieselbe Stelle ein, welche sie früher innegehabt hatten. Auf ihnen saßen
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