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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zwei Gestalten.
    Er mußte wissen, wer sie seien, und schlich sich näher. Es gelang ihm, unbemerkt von ihnen, so weit an sie heranzukommen, daß er sie nicht nur erkannte, sondern auch jedes ihrer Worte verstehen konnte. Er erlauschte folgendes:
    „Nein, Emma, mit Gewalt ist hier nichts auszurichten, denn dein Vater ist ein harter Mann, den der Widerstand nur noch strenger machen würde. Im ersten Augenblick hätte ich gleich alles niederschlagen mögen, aber als ich hernach hier saß und auf dich wartete, da hab' ich mir's recht überlegt und bin dabei ruhiger geworden.“
    „Und was soll ich denn tun?“
    „Du mußt ‚Ja‘ sagen. Die Zeit ist zu kurz, als daß wir bis dahin einen anderen Ausweg finden könnten, und die Verlobung ist noch lange nicht die Hochzeit. Bis die herankommt, wird der liebe Gott schon helfen!“
    „Da hab' ich wohl auch noch ein Wort mitzusagen!“ donnerte es da hinter ihnen.
    Sie sprangen erschrocken empor und sahen sich um.
    „Der Vater!“ rief Emma entsetzt.
    „Ja, der Vater ist's, du ungeratene Dirne! Gleich gehst du hinein in die Stube, sonst werd' ich dir den Weg dazu weisen!“
    Hier gab es keine Weigerung. Sie entfernte sich.
    „Und du, was tue ich eigentlich mit dir? Also ein harter Mann bin ich? Ja, die Emma ist wohl ein wenig weicher als ich; das will ich schon glauben. Mach', daß du fortkommst von hier, du unnützer Bub', und such dir deine Liebste im Armenhaus, aber nicht auf dem Dukatenhof! Und das will ich dir noch sagen, wenn du dich hier nur wieder blicken läßt, so ist's um deine Knochen geschehen. Merk' dir's. Und nun marsch fort!“
    „Herr Graf“, entgegnete ruhig der junge Mann. „Sie sind jetzt nicht in der Stimmung, daß ich Ihnen auf alles richtig antworten könnte, aber erstens kann ich vielleicht beweisen, daß ich kein unnützer Bub bin, und sodann ist's mir um meine Knochen noch niemals bange gewesen. Und wenn nun gar der Rock darüberhängt, den ich heut' anhabe, so will ich es keinem raten, sich an mir zu vergreifen. Ich geh', aber –“
    Er sprach nicht weiter, ein schallender Schlag hatte ihn mitten in das Gesicht getroffen.
    „So, da hast's, was ich von deinem bunten Flicken halte! Und nun mach schnell, sonst kommt noch mehr!“
    Wilhelms Hände ballten sich zusammen; er machte Miene, sich auf den Bauer zu stürzen. Aber mit Aufbietung seiner ganzen Selbstbeherrschung trat er um mehrere Schritte zurück und sagte:
    „Nein, Dukatenbauer, ich werd mich an Ihnen nicht vergreifen, denn Sie sind Emmas Vater! Und ein königlicher Unteroffizier, der Ehre im Leib hat, weiß schon noch, wie er auf andere Weise zusammenkommt mit – mit –“
    „Nun – mit – mit wem denn, wenn ich fragen darf, Herr königlicher Feldmarschall?“ höhnte der Bauer.
    „Schon gut! Die Ohrfeige kommt mit auf die Rechnung, die ich Ihnen vielleicht bald zu machen habe. Gute Nacht, Dukatengraf!“
    Er drehte sich um und ging, aber nicht durch den Garten, sonder er nahm seinen Weg durch das offene Haus; das war er sich und seiner Kleidung schuldig. Es kostete Wilhelm nicht wenig Mühe, die in ihm herrschende Aufregung zu bezwingen und seine Gedanken von dem letzte Ereignisse weg auf die vorher belauschte Unterredung zu wenden. Er hatte zu handeln, und alles Persönliche mußte deshalb zunächst in den Hintergrund gewiesen werden.
    Sein Weg führte ihn nach dem Häuschen des Köpfle-Franz. Dort angekommen, sah er durch eine dünne Spalte des Ladens, daß noch Licht in der Stube sei. Er klopfte an.
    „Wer ist draußen?“ fragte es von innen.
    „Ich bin's, der Wilhelm! Darf ich herein, Pate Franz?“
    „In meine Stube darf niemals kein Mensch nicht – auch du nicht; du weißt's ja!“
    „Laß mich nur heute mal ein, Pate! Ich habe dich was zu fragen.“
    „Frage morgen, wenn du mich auf der Straße siehst!“
    „Es muß heute noch sein!“
    „Ist's so notwendig?“
    „Ja! Die Mutter hat auch gesagt, ich solle zu dir gehen.“
    Das schlug durch. Was niemand erreichte, das war der Marie möglich. Er konnte ihr niemals vergessen, was sie an jenem Abend an ihm getan hatte. Sie war von dem Dukatenhof fortgegangen und monatelang unter Sorge, Angst und Bangigkeit seine Pflegerin gewesen. Und als es seiner starken Konstitution gelungen war, die körperlichen Folgen der furchtbaren Verwundung zu überwinden, da hatte sie nicht mehr von ihm gehen wollen. Aber trotz der Störung, welche sein Geist erlitten hatte, erkannte er doch, daß er ein solches Opfer niemals

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