Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
74 - Mein Leben und Streben

74 - Mein Leben und Streben

Titel: 74 - Mein Leben und Streben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
den Münchmeyerschen nicht weniger Erfolg haben würden, stellten die letzteren aber bis zur Vollendung der Pustetschen Serie zurück. Jede der beiden Serien sollte dreißig Bände umfassen. Was daran fehlte, hatte ich noch hinzuzuschreiben. Das ergab für die Pustetsche Serie ungefähr zehn Bände, die ich noch zu liefern hatte. Das war eine Arbeit, die mir keine Zeit ließ, mich jetzt um meine Münchmeyerschen Sachen zu kümmern. Darum mußte mich auch die unerwartete Nachricht, daß Münchmeyer plötzlich gestorben sei, geschäftlich vollständig gleichgültig lassen. Ich erkundigte mich nur nach seiner Nachfolge, und als ich hörte, daß seine Witwe das Geschäft im Namen der Erben weiterführe, war ich für mich beruhigt.
    Da geschah etwas Überraschendes. Frau Pauline Münchmeyer schickte mir einen Boten, der den Auftrag hatte, mich auszuforschen, ob ich vielleicht geneigt sein werde, ihr einen neuen Roman zu schreiben. Dieser Bote war auch ein ‚Vorbestrafter‘. Ich ließ ihn unverrichteter Sache wieder gehen, ohne über die Ursache seiner Entsendung besonders nachzudenken. Ich wußte damals nicht, was ich erst viel später erfuhr, nämlich daß es mit Münchmeyers nicht so glänzend stand, wie ich dachte. Man hatte einen Familienrat gehalten und war zu dem Entschluß gelangt, durch einen neuen Roman von Karl May die Lage zu verbessern. Ich hatte weder Zeit noch Lust, ihn zu schreiben, beschloß aber für den Fall, daß man den Versuch erneuern werde, trotzdem in Verhandlungen einzutreten, um über die Erfolge meiner bisherigen Romane etwas Bestimmtes zu erfahren. Und die Wiederholung des Versuchs kam. Frau Münchmeyer stellte sich selbst und persönlich bei uns ein. Sie besuchte uns wiederholt. Sie bot sogar Vorausbezahlung des Honorars. Sie schickte auch das Faktotum Walter und ließ Briefe durch ihn schreiben. Ich gab den Bescheid, daß ich nicht eher etwas Neues liefern könne, als bis über das Alte volle Klarheit geschafft worden sei. Ich müsse unbedingt erst wissen, wie es mit der Abonnentenzahl meiner fünf Romane stehe; die Zwanzigtausend müsse doch schon längst erreicht worden sein. Frau Münchmeyer versprach Bescheid. Sie lud mich und meine Frau zum Essen zu sich ein. Sie gestand ein, daß die Zwanzigtausend erreicht seien, und zwar bei allen Romanen, nicht nur bei einem; nur müsse es erst noch genau berechnet werden, und das sei in der Kolportage so ungemein schwierig und zeitraubend. Ich möge mich also in Geduld fassen. Was meine Rechte betreffe, so fallen diese mir hiermit wieder zu, ich könne die Romane nun ganz für mich verwenden. Da forderte ich sie auf, mir meine Manuskripte zu schicken, nach denen ich setzen und drucken lassen werde. Sie sagte, die seien verbrannt; sie werde mir an ihrer Stelle die gedruckten Romane senden und sie vorher extra für mich in Leder binden lassen. Das geschah. Nach kurzer Zeit kamen die Bücher durch die Post; ich war wieder Herr meiner Werke – so glaubte ich! Freilich war es mir unmöglich, sie sofort herauszugeben, weil die Pustetschen vorher zu erscheinen hatten. Ich legte die Bücher also für einstweilen zurück, ohne mich mit der Prüfung ihres Inhaltes befassen zu können. Ich hatte meinen Zweck erreicht, und von der Abfassung eines neuen Romans war keine Rede mehr. Frau Münchmeyer ließ nichts mehr von sich hören. Ich schrieb das auf Rechnung des Umstands, daß nun doch die ‚feinen Gratifikationen‘ fällig waren, deren Zahlung man mit Schweigen zu umgehen suchte. Ich aber drängte nicht; ich hatte mehr zu tun und brauchte das Geld nicht zur Not. Ich will den Umstand nicht übergehen, daß meine Frau während dieser ganzen Zeit sich alle Mühe gab, mich von geschäftlicher Strenge gegen Frau Münchmeyer abzuhalten. Diese ihre Vorliebe für Münchmeyer und seine Witwe bilden den Hauptgrund der sonst unbegreiflichen Nachsicht, die ich übte.
    Ich stand grad im Begriff, eine längere Reise nach dem Orient anzutreten, als ich erfuhr, daß Frau Münchmeyer ihr Geschäft verkaufen wollte. Ich schrieb ihr sofort einen Brief, in dem ich sie warnte, etwa meine Romane mitzuverkaufen. Ich legte ihr alles hierauf Bezügliche dar und ging zunächst nach Oberägypten. Von dort nach Kairo zurückgekehrt, fand ich Briefe vor, aus denen ich erfuhr, daß der Verkauf trotz meiner Warnung geschehen sei; der Käufer heiße Fischer. Ich zögerte nicht, an diesen Herrn zu schreiben. Er antwortete mir im Kolportageton, daß er das Münchmeyersche Geschäft nur

Weitere Kostenlose Bücher