760 Minuten Angst
geworden.
Kaum hatte die Musik eingesetzt, vergaß Stella alles um sich herum und ergab sich »Cs« Willen. Sie setzte sich auf den steinernen Gassenboden, legte die Schachtel auf ihren Schoß und öffnete sie.
Es lag ein modernes gelbes Handy darin. Auf dem Display lief gerade ein Film an, der Stella in nur wenigen Sekunden in seinen Bann zog. Die Nachricht wurde ihre neue Welt. Sie war darin gefangen.
»Mein Handy ist alles, was ihr ab jetzt noch bei euch tragen werdet. Ich hoffe, ihr habt verstanden. Sonst …«
Der Film endete, das Display wurde schwarz und Stella blieb verstört zurück. Irgendwie hatte sie gewusst, dass es nicht nur ein Spaß war, doch nun war es zur grausamen Realität geworden.
Ich … begreife das einfach nicht. Ich meine … warum ich? Warum meine Omi? Was haben wir nur getan, um sowas zu verdienen? Ich verstehe nicht …
Die Szene, die Musik, die Stimme. Alles hallte in ihrem Kopf wider. Eine Schlinge der Grausamkeit zog sich immer enger um ihren Hals und drohte sie zu erwürgen. Stella wollte alles vergessen, alles ignorieren. Sie wollte ihr altes Leben zurück.
Und ihr könnt euer Leben wie zuvor weiterleben.
Die Worte drangen wie von selbst in den Vordergrund ihrer Gedankenwelt und es dauerte eine Weile, bis sich Stella an den Zusammenhang erinnerte.
Stimmt. »C« hat es uns gesagt. Uns …
Zum ersten Mal dachte sie ernsthaft über dieses Wort nach, das so viel Gewicht besaß. Wann hatte sie angefangen, diese Information zu verdrängen? Wahrscheinlich, als sie damit konfrontiert wurde, in einem Horrorszenario gelandet zu sein.
Ich bin also nicht allein.
»C« hat in seiner Videobotschaft in der Mehrzahl gesprochen, die ganze Zeit über und dann hat er es auch noch zugegeben.
Und doch bin ich allein.
Gibt es denn keine Hoffnung in diesem Spiel?
Immer noch blieb der Satz von »C« in ihrem Kopf haften.
Er hat uns versprochen, dass wir unser altes Leben zurückbekommen. Er hat gesagt, dass er unseren Liebsten nichts tun wird, solange wir seine Regeln befolgen und mitspielen. Ich meine, das heißt doch, dass …
Sie verlor sich in Trauer.
Bilder ihrer Omi rasten blitzschnell über ihr geistiges Auge, bombardierten sie mit wunderschönen Erinnerungen, die in diesem Moment wie reales Feuer in ihrem Herzen brannten. Stella wollte aufgeben, alles hinschmeißen, doch gleichzeitig aufstehen und ausführen, was »C« von ihr verlangte.
Es war ihr egal, ob er log oder die Wahrheit sagte. Sie wollte ihm einfach glauben, damit diese Geschichte ein Ende fand und sie ihr normales, einfaches Leben zurückbekam. Mehr nicht.
Dann habe ich mich also entschieden?
Zweifel blieben … und Ratlosigkeit.
Was soll ich sonst machen? Ich muss doch tun, was er von mir verlangt. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn meiner Omi etwas zustoßen würde.
Ja!
Ich habe mich entschieden.
Ich werde alles tun, was er will.
Ich werde seine Regeln befolgen.
Ich werde mitspielen!
Ein alberner Klingelton riss Stella aus ihrer Konzentration. Sie sah sich verwirrt um, ehe sie begriff, dass eine SMS auf dem fremden Handy eingegangen war.
Obwohl sich Stella bereits entschieden hatte, zögerte sie, die Textnachricht zu öffnen. Sie hatte Angst. Sie wusste nicht, wohin »C« sie schicken und was sie dort erwarten würde. Und dann war da noch die Geschichte mit ihren persönlichen Gegenständen, die sie ablegen musste.
Was soll das eigentlich?
Doch stand es ihr überhaupt frei, sich darüber Gedanken zu machen oder sollte sie einfach alles hinnehmen, was der Verrückte von ihr forderte?
Stella entschied sich für die zweite Variante. Sie war einfacher. Sie mochte feige sein und Stella schwach erscheinen lassen, aber lieber ergab sie sich den Wünschen »Cs«, als weiterhin im Ungewissen zu tappen. Sie wollte endlich Klarheit.
Und das hieß, dass sie sich von all ihren Habseligkeiten trennen musste. Doch war sie bereit dafür?
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stellte sie ihre weiße Handtasche neben den beigefarbenen Schuhkarton. Stella überlegte, was sie besaß. Da wäre die weiße Perlenkette, ein Familienerbstück. Ihre drei Ringe, zwei davon ein Geschenk. Einmal von ihrer Mutter und einmal von ihrer besten Freundin. Was noch?
Ich glaube, das ist alles.
Dann war es das also? Sie musste sich von einem Erbstück trennen, dass sie von ihrer Omi bekam, einem Ring, der sie immer an ihre verstorbene Mutter erinnerte und von einem Geschenk ihrer allerbesten Freundin? Konnte sie all das
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