760 Minuten Angst
Je weniger, desto besser.
Er tauschte die besagten Gegenstände gegen das Mobiltelefon und schob die Schachtel beiseite. Er hatte das starke Gefühl, sie nicht mehr zu brauchen. Nun gab es keinen Grund mehr, die Textnachricht weiter aufzuschieben.
DEINE ERSTE AUFGABE, LIEBER BENJAMIN. DU WIRST DEINE WOHNUNG VERLASSEN, IN EINE PARTEI GEHEN, DIE DU ALS HAUSMEISTER BETREUST UND EINE WOHNUNG AUFSUCHEN, WO DU GANZ GENAU WEISST, DASS DORT EINE ALLEINSTEHENDE FRAU WOHNT. DARAUFHIN WIRST DU SIE FRAGEN, OB DU IHR NICHT BEI GEWISSEN DINGEN BEHILFLICH SEIN KANNST. ICH DENKE, WIR BEIDE VERSTEHEN UNS, UM WELCHE DINGE ES SICH DABEI HANDELT. ES IST EGAL, WIE DIE SITUATION AUSGEHT, DU MUSST ES NUR BIS ZUM ENDE DURCHZIEHEN. SOLLTEST DU DEINE AUFGABE ERFOLGREICH ABSOLVIERT HABEN, KEHRST DU ZU DEINER WOHNUNG ZURÜCK UND WARTEST AUF MEINE NÄCHSTE NACHRICHT. »C«
DAS war es also?
Ben sollte eine Wohnung einer alleinstehenden Frau aufsuchen und sie um … um … na ja, diese Sache bitten? Das ergab doch gar keinen Sinn!
Warum entführt dieser Irre meine Mama, wenn er daraufhin einen solchen Schwachsinn von mir will. Ich meine, ich dachte, es ging hier um Geld oder was weiß ich, aber um sowas ? Ich meine, das ist schon eine Sache, die ich … naja … aber was hat »C« davon?
Zwar hätte sich Ben noch weiter das Gehirn darüber zermartern können, aber er begriff, dass er auf keine Lösung kam. »C« hatte er von Anfang an nicht verstanden und er würde es auch jetzt nicht tun.
Es gab nur einen Weg, sämtliche Antworten zu erhalten und der bestand darin, alle Aufgaben erfolgreich abzuschließen. Ben hatte sich entschieden, an der Schnitzeljagd teilzunehmen. Er würde jetzt nicht anfangen, zu zögern.
Er stand auf, schob das fremde Handy in die rechte Hosentasche und verließ geradewegs seine Wohnung. Auch diesmal blieb die Wohnungstür einen Spalt offen. Ben wusste genau, welche Dame er besuchen würde.
»Mein Handy ist alles, was ihr ab jetzt noch bei euch tragen werdet. Ich hoffe, ihr habt verstanden. Sonst …«
Das Display des blauen Handys wurde schwarz und die bedrückende Stille kehrte in das Kellerabteil zurück.
Nachdem die Musik ertönt war, hatte Jake wie gefordert den Schuhkarton geöffnet und darin das blaue Handy entdeckt. Er hatte den ganzen Film über kaum geblinzelt, sosehr war er der Szenerie von »C« verfallen. Selbst seine Gedanken hatten sich abgeschaltet. Es gab nur noch die Musik, die Bilder und die Stimme.
Erst jetzt fühlte sich Jake wieder imstande, sich seiner selbst zu widmen. Doch wo sollte er anfangen? Diese Nachricht hatte ihn ausgezehrt, regelrecht vernichtet. Wie sollte er aus dieser Geschichte noch lebend herauskommen?
Und nicht nur ich, sondern auch Leila und Mira.
Ein kleiner Gedanke, doch mit so viel Wucht und Zerstörungskraft. Natürlich machte er sich Sorgen um sein eigenes Leben, wer tat das nicht, aber seine Frau und seine Tochter. Wie konnte er sie nur im Stich lassen? Sie waren doch alles für ihn.
Jake war eigentlich noch nie der typische Familienmensch gewesen. Er verstand sich zwar gut mit seinen Eltern, hatte aber nicht unbedingt einen engen Kontakt mit ihnen. Er hatte auch nie eine Frau gewollt, geschweige denn Kinder. Aber dann traf er Leila und alles änderte sich.
Ich habe mich bis Siebenundzwanzig nur herumgetrieben und dann trat Leila in mein Leben. Sie hat meine Welt genommen, in den Müll geworfen und vollkommen neu erschaffen. Ich weiß, das hört sich kitschig an, aber so war es eben.
Ich habe mich viel zu lange nur für mich selbst interessiert. Partys standen an der Tagesordnung und meine Arbeit habe ich mehr schlecht als recht erledigt. Doch warum etwas ändern? Es funktionierte schließlich wunderbar und ich war fest davon überzeugt, glücklich zu sein.
Im Nachhinein finde ich es faszinierend, wie leicht man von Glück spricht, ohne es wirklich zu kennen. Das Gleiche gilt für die Liebe. Ich habe nie ein großes Tamtam darum gemacht. Wenn ich eine Frau ins Bett kriegen wollte, dann kam es ab und an schon vor, dass ich ihr die »große Liebe« vorgespielt habe. Es bedeutete mir nichts.
So verhielt sich das auch mit dem Glück. Am Anfang zählte für mich viel Geld, viel Freizeit, wenig Arbeit, wenig Stress, viel Sex, viel Spaß und ganz, ganz wenig Zickenkrieg. Das hieß nichts anderes als … ja keine Freundin zu haben. Das waren mein Leben, mein Glück und meine Liebe gewesen.
Bis Leila kam.
Jake hatte gar nicht bemerkt, wie sehr er in seinen
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