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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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hervor. Erst jetzt wagte sie den Blick in den Spiegel.
    Zuerst sah Valentina nur das viele Blut, das geronnen hauptsächlich ihre linke Gesichtshälfte zierte. Obwohl sie Angst davor hatte, das Grauen darunter freizulegen, hatte sie keine andere Wahl, als das Handtuch zu nehmen, es zu befeuchten und sorgsam damit zu beginnen, das Rot abzuwaschen.
    Nach und nach wurde das Blut vom Handtuch aufgesogen, das Valentina daraufhin ausspülte, um es erneut vorsichtig über ihr Gesicht gleiten zu lassen. Nach einer gefühlten Stunde lag die fast senkrechte Wunde so gut wie frei. Valentinas Blick erstarrte. Sie war unfähig, die Katastrophe, die sie selbst geschaffen hatte, nicht mehr anzusehen.
    Tina hatte tolle Arbeit geleistet. Die Wunde war nicht tief, zumindest schätzte Valentina diese so sein, auch wenn sie leicht aufklaffte, wodurch teilweise Blut in feinen Rinnsalen austrat. Sie begann etwa in der Mitte der linken Wange, zog sich senkrecht zu ihrem Auge nach oben, wo sie leicht nach links abglitt, um oberhalb ihrer Augenbraue ein Ende zu finden.
    Erst jetzt stellte Valentina zu ihrer Beruhigung fest, dass sie beide Augen geöffnet hatte. Ihr linkes Auge schien unversehrt, auch wenn sie gerade das Gefühl hatte, damit nichts zu sehen. Allgemein verschwamm ihr Blick immer öfters. Doch immerhin war es heil. Sie konnte es öffnen und schließen. Alles andere würde die Zeit zeigen.
    Valentina legte das Handtuch beiseite und widmete sich abermals ihrem »Erste-Hilfe-Korb«. Sie kramte ein paar Pflaster, Kompressen, Verbandsrollen und Klebeband heraus. Nun ging es darum, wie sie die Wunde am besten »verarzten« sollte.
    Da Valentina keine Ahnung davon hatte, wie man eine Schnittwunde behandelte, entschloss sie sich zur Improvisation und begann damit, die erste Kompresse auszupacken. Als ob ihre Wunde verstehen würde, was Valentina vorhatte, pochte sie sekündlich stärker, obwohl sie noch nicht einmal Hand angelegt hatte.
    Ihre zweite Handlung galt dem Klebeband. Mit Hilfe einer kleinen Schere, die sich ebenfalls im Korb befunden hatte, schnitt sie einige Streifen ab und klebte diese provisorisch am Waschbeckenrand fest. Erst jetzt wagte sie, die Kompresse über die Schnittwunde zu legen.
    Obwohl sie behutsam vorging, brannte die Verletzung, als hielte sie gerade die Flamme eines Feuerzeugs darauf. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen. Sie nahm zwei der Klebestreifen und fixierte, mehr schlecht als recht, die Kompresse.
    Diesen Vorgang wiederholte Valentina noch zwei Mal, wobei der Schmerz stetig anwuchs. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten, die wiederum zusätzlichen Schmerz heraufbeschworen. Sie kam sich vor, als wäre sie in einer Endlosschleife der Qualen gefangen, aus der es kein Entrinnen gab. Nur hatte Valentina gar keine andere Wahl. Sie musste weitermachen.
    Nachdem die Kompressen ihren Platz bekamen, nahm Valentina eine Verbandsrolle nach der anderen in die rechte Hand und wickelte sie um ihren Kopf. Am Ende waren die Kompressen, gut achtzig Prozent ihrer linken Gesichtshälfte und die rechte Stirnseite unter dem Verband verschwunden. Wenn Valentina es nicht besser wüsste, hätte sie geglaubt, gerade nach einer Augenoperation erwacht zu sein. Sie fühlte sich schrecklich.
    Nicht nur, dass die Schnittwunde pochte, nun hatte Valentina auch noch das Gefühl, als wäre ihr Gehirn angeschwollen und würde gegen die Schädeldecke drücken. Doch es schien wenigstens noch so weit zu funktionieren, dass ihr einfiel, dass Sarah ein paar Aspirin-Tabletten in der Küchenschublade aufbewahrte.
    Kaum war sie dort angekommen, nahm sie die Schachtel an sich, popelte die letzten vier Tabletten aus dem Blister und schluckte sie mit einem Glas Leitungswasser hinunter. Valentina hatte zwar keine Ahnung, ob sie helfen würden, aber schaden konnten sie keineswegs.
    Dann ertönte der Klingelton und ihr gesamter Körper zuckte in sich zusammen. Soweit war es bereits mit ihr. Allein ein Zeichen von »C« reichte aus, um sie körperlich einbrechen zu lassen. Wie weit würde sie noch gehen können, bis sie endgültig zerbrach?
    Doch das Schlimmste an der Sache war, dass der Klingelton nicht verstummte. Es handelte sich diesmal gar nicht um eine Textnachricht, sondern um einen Anruf. Konnte das wirklich »C« sein?
    Mit zittrigen Händen und einer gehörigen Portion Angst fischte Valentina das violette Handy aus ihrer Hose, drückte auf den grünen Hörerknopf und legte es ans

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