760 Minuten Angst
ist das nicht …«
»Wie dann, Papa?! Wie soll ich das sonst verstehen? Ich meine, du liegst hier und erzählst mir, dass du seit sieben Jahren mit einer anderen Frau vögelst.«
»Nicht in diesem Ton!«
Nun wurde ihr Vater lauter, doch brachte es Valentina nur mehr in Rage.
»Du hast mir überhaupt nichts zu sagen!«
Dabei deutete sie mit dem rechten Zeigefinger auf ihn, ehe sie wie aus Reflex die Pistole an sich nahm. Sie fühlte sich eiskalt und schwer in ihrer zierlichen Hand an. Und obwohl ihr das Gefühl so unendlich fremd war, fühlte es sich jetzt gerade unsagbar gut an.
»Du bist ein Schwein, Papa! Ich kann es gar nicht begreifen, wie du Mama so etwas antun konntest.«
Kaum erblickte ihr Vater die Waffe in Valentinas Hand, weiteten sich vor Schreck seine Augen und er fing an zu stottern.
»Bitte … Valentina … leg doch die Waffe weg.«
Doch sie dachte gar nicht daran, die Pistole wegzulegen. Dafür fühlte sie sich viel zu gut an.
»Woher. Woher wusste »C« davon?«
»Ich weiß es nicht.«
»Keine Ausreden!«
Blitzschnell richtete Valentina die Waffe auf ihren Vater. Sie wusste selbst nicht mehr, warum sie das tat. Irgendwie geschah plötzlich alles aus Reflex oder besser gesagt, aus reinen Emotionen heraus.
»Ich weiß es wirklich nicht!«, flehte ihr Vater um sein Leben. »Ich kannte diesen Mann bis heute nicht. Valentina, das musst du mir glauben.«
Und das tat sie auch.
Es lag nicht nur an der Bedrohung durch die Waffe, die Valentina versicherte, dass ihr Vater die Wahrheit sprach, sondern auch an der Art, wie er es sagte. Sie konnte es aus seiner Stimme heraushören. Ihr Vater hatte sie, seit sie ins Schlafzimmer gekommen war, nicht einmal angelogen. Warum sollte er es jetzt tun?
»Dann war‘s das also?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, das war alles, was du mir erzählen solltest? Mehr hat »C« nicht von dir verlangt?«
»Nein.«
Wieder wandte ihr Vater beschämt seinen Kopf zur Seite.
»Ich verstehe.«
Und nicht nur sie … auch ihr Vater!
Sofort wanderte sein Blick zurück auf seine Tochter und der Schusswaffe in ihren Händen. Der Lauf war noch immer auf ihn gerichtet.
»Bitte, Valentina. Du kannst mich doch nicht erschießen. Ich bin dein Vater!«
Nur war sich Valentina da nicht mehr so sicher. Gott wusste, sie war keine Mörderin und sie hatte noch nie ernsthaft in Erwägung gezogen, einen Menschen zu töten, doch jetzt, wo ihr Vater so vor ihr lag, halbnackt, da wusste sie nicht weiter.
Sie stellte sich unweigerlich vor, wie ihr Vater mit seinem Flittchen in ihrem Bett lag, mit ihr schlief, nur um Zuhause auf heile Welt zu machen. Ihr kam die Galle hoch, wenn sie nur daran dachte, wie er sie all die Jahre über belogen hatte.
Dann fiel der Schuss!
Valentina wusste nicht, wie er geschehen war und auch ihr Vater konnte nicht begreifen, was ihr eigen Fleisch und Blut gerade getan hatte. Noch immer sah er zitternd in ihr ängstliches und verwirrtes Gesicht. Wie hatte seine Tochter nur auf ihn schießen können?
Als hätte die Pistole an Gewicht zugelegt, musste Valentina ihre Arme absenken, um sie nicht gänzlich aus der Hand zu verlieren. Auch sie konnte nicht verstehen, wie es passieren konnte. Wie hatte sie nur auf ihren Vater schießen können?!
»Val … Valentina …«, mehr brachte ihr Vater nicht heraus.
Er war vor Angst noch immer wie gelähmt.
Erst jetzt betrachtete Valentina das Einschussloch oberhalb des Bettkopfs. Die Kugel steckte vermutlich noch in der Wand. Gott sei Dank war sie keine geübte Schützin und hatte dadurch den Rückstoß nicht bedacht. Diesem hatte ihr Vater womöglich sein Leben zu verdanken. Und Valentina ein von ihr begangener Mord.
Nur machte ihr nicht der misslungene Mordversuch zu schaffen, sondern allein die Tatsache, dass sie auf den Abzug gedrückt hatte. Sie hatte ihren Vater umbringen wollen. Wie weit hatte »C« sie getrieben? Wie viel von ihr selbst hatte »C« bereits zerstört, das sie zu so etwas imstande war?
»Bitte … Valentina … wir können doch … wir können doch über alles reden …«
Nur hörte Valentina die Worte ihres Vaters nicht. Sie war bereits in ihrer eigenen Welt, wo nur sie allein Zugang hatte. Dort war kein Platz für ihren Vater, dieses Bett oder dieses Zimmer. Sie konnte sich nur noch herumdrehen und aus dem Raum verschwinden.
Ihr Zimmer!
Ihr Jugendzimmer war der einzig sichere Ort, den sie jetzt noch aufsuchen konnte. Sie drückte sich in die freie Ecke des Raums und versenkte dabei ihren
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