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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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Kopf zwischen den Knien, die sie fest an ihren Körper presste. Dabei hatte sie die Waffe in ihrer Hand nicht einmal weggelegt. Diese war bereits zu einem Teil von ihr selbst geworden.
    Ich verstehe das nicht. Ich kann nicht mehr. Es ist zu viel. Zuerst die Entführung von Sarah, dann die Geschichte mit dem Messer und nun die Affäre ihres Vaters. Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich kann nicht mehr!
    Sie brüllte sich in Gedanken selbst an und versuchte so ihrem Schmerz einen Kanal zu geben, doch es funktionierte nicht. Ihr Herz brannte, als würde es in Flammen stehen und dass ihre Tränen nicht mehr versiegten, war erst recht ein Beispiel dafür, dass Valentina kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.
    Nein, ich habe ihn bereits. Ich bin bereits am Ende. Ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Verdammt … ich will gar nicht mehr!
    Und fast zeitgleich schloss Valentina ihre Augen und führte den kalten Lauf in ihren Mund. Er berührte ihren Gaumen und sie stand kurz davor, sich zu übergeben, bis die Gedanken zurückkamen.
    Es tut mir leid, Sarah.
    Ich weiß, dass du meine allerbeste Freundin bist, dass du immer für mich da warst und ich wohl ohne dich lange nicht so glücklich gewesen wäre, doch ich kann dich nicht retten.
    Ich weiß, dass es feige ist, was ich jetzt tue, aber ich kann nicht anders. Ich kann meinen Vater nicht töten. Sarah, das musst du einfach verstehen. Ich kann keinen Menschen töten, auch wenn es dein Leben rettet. Ich könnte dir nie mehr unter die Augen treten.
    Leb wohl, Sarah.
    Wir sehen uns gleich auf der anderen Seite wieder.
    Dann drückte sie ab.

    Tränen benetzten das Bettlaken, welches sie ganz nah an sich herangezogen hatte. Sie konnte nicht aufhören zu weinen und der ersehnte Schlaf, der sie endlich vergessen ließ, kam nicht. Diesmal war Emilie gezwungen, sich der ganzen Qual hinzugeben.
    Sie verkroch sich tiefer in der weißen Decke und hoffte dadurch, dem Schrecken der Realität zu entfliehen. Doch sobald sie die Augen schloss, kamen die Bilder zurück, die sie für immer vergessen wollte. Sie hörte wieder die Geräusche, die aus der Hölle selbst kamen. Sie fand keine Ruhe.
    Werde ich das jemals wieder? Kann ich jemals wieder ruhig schlafen?
    Obwohl es nicht das erste Mal war, dass ihr Papa zu ihr ins Zimmer gekommen und mit ihr … nun … diese Sache gemacht hatte, war es diesmal anders gewesen. Es war viel intensiver, schmerzhafter und grauenvoller gewesen. Vielleicht lag es auch daran, dass Emilie von Mal zu Mal erwachsener wurde. Oder sie konnte einfach nicht mehr damit umgehen.
    Immer tiefer verkroch sich Emilie in ihrer schützenden, weichen Höhle und hoffte innerlich, nie wieder daraus entfliehen zu müssen. Doch ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren und so war ihr schnell klar, wie kindisch ihr Verhalten war. Natürlich würde sie ihr Bett wieder verlassen. Natürlich würde sie ihrem Vater wieder unter die Augen treten. Natürlich würde er eines Nachts wieder in ihr Zimmer kommen und mit ihr …
    Sie schüttelte heftig den Kopf.
    Emilie wollte um jeden Preis diese furchtbaren Gedanken aus ihrem Kopf verbannen. Sie wollte nicht mehr daran denken. Sie wollte endlich vergessen, einschlafen, ein normales Leben führen. Doch nichts von alledem passierte. Vielleicht würde es auch nie geschehen. Wer wusste das schon. Emilie hatte auf jeden Fall die Hoffnung aufgegeben, jemals ein normales Leben zu führen.
    Nachdem ihre Mama gestorben war, hatte sie auch Emilies normales Leben mitgenommen. Dennoch, so sehr die Gedanken an ihre Mama schmerzten, erinnerte Emilie sich gerne an sie. Ihre Mama war schließlich ihr Licht gewesen. Ohne sie wäre Emilie wohl niemals glücklich gewesen.
    Wie von selbst sah sie vor ihrem geistigen Auge sich selbst in jungen Jahren, wie sie zu ihrer Mama aufs Sofa kroch und sich mit ihr in eine Wolldecke kuschelte. Gemeinsam sahen sie sich einen Liebesfilm an, den Emilie noch nicht richtig verstand. Doch es war nebensächlich. Alles was zählte, war die Wärme ihrer Mutter, die sie glücklich machte, und am Leben hielt.
    Die Erinnerung schmerzte und Emilie blieb nur die Trauer. Sie fragte sich, ob sie jemals wieder ein solches Gefühl erleben würde. Sie dachte sogar darüber nach, ob sie seit dem Tod ihrer Mama überhaupt einmal glücklich war. Dann fiel ihr Marie ein.
    Ja, Marie, meine beste Freundin.
    Bei ihr fühle ich mich wohl, bei ihr habe ich das Gefühl, Teil einer ganz normalen Familie zu sein.
    So oft es ging, besuchte

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