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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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nach oben, während Jake die Schutzhülle um die Nadel entfernte. Dann setzte sich Leila auf den Boden und Jake kniete sich zusammen mit ihrer Tochter neben sie.
    »Wie soll ich … ich weiß gar nicht, wie man so etwas macht. Ich kann doch kein Blut sehen, Schatz. Ich habe nie dabei zugesehen, wie man eine Spritze setzt.«
    Leila suchte nach etwas, womit sie ihren Arm hätte abbinden konnten, doch sie fand nichts. Dann kam ihr eine Idee.
    »Du musst meinen anderen Ärmel abreißen und damit meinen linken Arm abbinden. Dann mach ich eine Faust und pumpe dadurch die Vene auf. Der Rest liegt bei dir. Du machst das schon.«
    »Nein. Ich kann das nicht.«
    »Aber du musst. Für Mira.«
    »Ist Mama krank?«, fragte Mira, die mit der ganzen Aktion nichts anfangen konnte.
    »Ja, Liebes. Ein wenig. Deswegen gibt Papa mir auch eine Medizin, die mich ganz schnell wieder gesund macht. Nur muss ich dafür schlafen. Verstehst du das?«
    Mira nickte.
    »Gut. Magst du deinem Papa dabei helfen?«
    Abermals ein Nicken.
    »Dann nimm jetzt ganz vorsichtig die Spritze, während der Papa sich um meinen Arm kümmert.«
    Und so überreichte Jake seiner Tochter die Spritze, die gleich ihre Mutter umbringen würde. Wie Leila wollte, riss Jake den rechten Ärmel ihres Hemds ab, was leichter gesagt war als getan und band damit den Oberarm ab.
    Als wäre es ein ganz alltäglicher Arztbesuch, fing Leila an, ihren Arm aufzupumpen und damit die Vene hervortreten zu lassen. Jake konnte sie nun deutlich erkennen. Er nahm wieder die Spritze zur Hand und doch konnte er sie nicht in den Arm seiner Frau jagen. Es ging nicht.
    Dann spürte er die rechte Hand seiner Frau.
    »Es ist gut, Schatz. Nur zu. Ich liebe dich.«
    »Nein, Leila … sag das nicht.«
    Doch seine Frau nickte zustimmend. Sie erteilte Jake die Absolution und dieser konnte einfach nicht anders, als dieses kranke Spiel endgültig zu beenden. Sie alle waren gebrochen und wenn Jake es jetzt nicht durchzog, dann niemals. Leila hatte Recht. Es musste sein.
    Dann stach er zu!
    Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, wirklich gezielt zu haben und doch schien es so, als hätte er die Vene getroffen, nur wusste er nicht, wie weit er gehen musste. Irgendwann stoppte er, als würde sein Körper instinktiv wissen, wann es richtig war … und drückte durch.
    Die farblose Flüssigkeit verschwand und obwohl es nur Sekunden dauerte, bis die Spritze leer war, waren es die längsten seines bisherigen Lebens. Denn es würden auf ewig die Sekunden bleiben, in denen er seine Frau getötet hatte.
    Jake zog die Spritze heraus und warf sie soweit er konnte. Er wollte dieses Instrument des Teufels nie mehr in seinem Leben sehen. Dann nahm er die Hand seiner Frau in die seinen und flüsterte ihr zu.
    »Es tut mir so leid … es tut mir so leid … Leila … ich … ich liebe dich …«
    Sie lächelte.
    »Ich dich doch auch … du Dummerchen …«
    Ein Lächeln.
    Dann erstarrte ihr Gesicht … für immer.
    Jake brach in Tränen aus. Er konnte nur noch schreien, weinen, schluchzen, dann wieder schreien … und weinen. Er brach zusammen, endgültig zusammen. Es war vorbei. Er konnte nicht mehr.
    Immer wieder schrie er unkontrolliert durch den Raum. Verfluchte alles und jeden, nur um dadurch die Stimme zu verlieren, um sich ganz der Trauer hinzugeben. Bis zu dem Moment, wo er ein Stechen am Hals spürte.
    Ihm wurde schwindlig und Sekunden später schlug er am Boden auf. Er spürte deutlich, wie die Finsternis nach ihm rief. Am Ende blieb ihm ein letztes Bild. Es galt seiner Tochter, seiner geliebten Mira, die bewusstlos vor ihm lag. Die Furcht begleitete Jake ins Land der Träume.

    Sein Schrei war verebbt.
    Als wäre alle Kraft auf einmal aus seinem Körper gesaugt worden, brach er zusammen und landete mit einem dumpfen Schlag auf den Knien. Sein Blick war dabei leer auf das Ausmaß seiner eigenen Tat gerichtet.
    Immer wieder formten sich neue Tränen, die seelenruhig hinabglitten. Rick hob seine Hände vors Gesicht und sah sie an, als wären sie in reines Blut getaucht. Doch obwohl er ein Mörder war, sah man es seinen Händen nicht an. Sie waren wie immer. Nur er nicht mehr.
    »Was … was habe ich nur getan …?«
    Die Frage verlor in dem leeren Raum an Bedeutung und doch hatte Rick sie aussprechen müssen. Ein Gedanke wäre seiner Tat nicht gerecht geworden. Doch konnte sie überhaupt gesühnt werden? Konnte er jemals vergessen, was er gerade getan hatte? Gab es dafür Befreiung?
    Als würde er seine

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