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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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einen relativ geduldigen Menschen. Normalerweise.
    Und andere Menschen teilen diese Einschätzung durchaus. Sina zum Beispiel. Sie beteuert, dass sie in meinem Job längst zum Drachentöter geworden wäre.
    Heute allerdings hat Sina selbst meine Geduld auf die Probe gestellt. Gerade hatte mein Feierabend begonnen. Und ich hatte es mir auf dem Sofa bequem gemacht. Mit einer Tasse Tee. Und einem Liebesroman. Als Sina mit hochrotem Kopf vor der Tür stand. Ihren oberen Blutdruckwert schätzte ich auf zweihundertzehn.
    »Ich bringe den Kerl um!«, drohte sie.
    Ich seufzte.
    Die Show kenne ich. Seit Jahren. Ungefähr zwei Mal pro Monat plant Sina, Dieter den Dämlichen um die Ecke zu bringen. Wirklich dazu kommen wird es wohl nicht.
    Das Spektakel läuft jedes Mal gleich ab: Dieter bringt Sina zum Explodieren. Der Grund für ihren Ausbruch ist ihm in neunundneunzig Prozent der Fälle nicht klar. Sie stampft fluchend und Türen knallend davon.
    Heute war der Grund die Elektronikmesse, zu der ihn seine Firma nächsten Mittwoch schicken will. Er wird erst spätabends zurück sein. Sina hat ihr Essen stehen gelassen. Und ist geradewegs zu mir gebraust.
    Sina hat nächsten Mittwoch Geburtstag. Ich wette, dass Dieter das nicht bewusst war. Und er bis jetzt noch nicht drauf gekommen ist. Wenn sie verheiratet wären, würde Dieter regelmäßig die Hochzeitstage vergessen.
    Sina kommt dann zu mir. Ich erkläre ihr, wie lästig ein aufmerksamer Mann sein kann.
    Mario weiß noch, wie viele Minuten ich bei unserem dritten Date zu spät war. Und dass ich Leggins trug. Was zu der Zeit schon lange out gewesen war. Dinge, die ich selbst am liebsten verdrängen würde.
    Sina meint, ich wüsste meinen Mann nicht zu würdigen. Trotzdem ist sie nach meinen Erklärungen viel zufriedener.
    Anschließend fährt sie nach Hause. Sie entschuldigt sich bei Dieter für ihren Ausbruch. Und Dieter weiß immer noch nicht, was eigentlich passiert ist.
    Was wäre, wenn Sina Mario geheiratet hätte?
    Und ich Dieter?
    Allein die Vorstellung ist lächerlich. Dieter und ich sprechen beide kaum ein Wort. Wir hätten uns nie kennenlernen können. Und Sina ist genauso aufbrausend wie Mario. Die beiden wären sich bei der ersten Verabredung an die Kehle gegangen.
    Dieters Ahnungslosigkeit könnte auch Taktik sein. Er lässt Sina toben. Weil er weiß, dass sie sich sowieso wieder beruhigt. So wie ich es bei Mario mache. Aber da überschätze ich Dieter womöglich.
    Heute ist Sina gegen sechs wieder verschwunden. Mario kam um halb sieben herein. Kurz nachdem ich mich wieder mit dem Buch auf die Couch gelegt hatte.
    Die Haustür klappte. Zeitgleich fielen mir die hintereinander stehenden Schuhe im Flur ein. Dann der Staubsauger in der Küche. Dann der Fön im Bad. Dessen Stecker seit heute Morgen in der Dose geblieben war.
    Genau in dieser Reihenfolge stieß Mario auf das Chaos. Ich hatte aufräumen wollen, sobald ich das Kapitel zu Ende gelesen hatte. Konnte ich ahnen, dass Mario so früh auftauchte?
    »Du bist seit vier Stunden zu Hause!«
    Mein Kapitel konnte ich vergessen. Ich musste sofort aufräumen. Und mir dabei sein Gemecker anhören.
    »Den ganzen Tag gammelst du auf dem Sofa ab!«
    Drei Stunden Dieter-Diskussion reichten mir.
    »Ziehst dir diese Schundromane rein!«
    Auf weitere Debatten hatte ich keine Lust.
    »Es interessiert dich einen Dreck, dass unser Haus sich in eine Müllkippe verwandelt!«
    Ich hörte mir seine Predigt nicht nur wortlos an. Ich entschuldigte mich auch noch.
    Und jetzt ärgere ich mich schwarz. Dass ich ein geduldiger Mensch bin.

9.
    »Deine Ideen werden ja immer besser«, knurrte Danner. Die Arbeit mit Agi Friedlich hatte seine Geduld anscheinend an ihre Grenzen gebracht. Nachdem er seine Frühschicht gegen fünfzehn Uhr endlich hinter sich hatte, war er deutlich genervt. Und ich schien ihm gerade recht zu kommen, um Dampf abzulassen.
    Ich hasse es übrigens, wenn jemand seine Wut an mir auslässt.
    »Wir könnten uns auch Jobs als Spargelstecher besorgen«, moserte Danner gereizt weiter. »Da haben wir unsere Kohle einfacher verdient.«
    Ich legte eine Erbse auf meinen Löffel, spannte ihn wie ein Katapult über meinen Mittelfinger und schleuderte das Gemüse in Danners Richtung.
    »Lilas Vorschlag klingt doch logisch«, stimmte Molle mir zu, während er Mücke den wolligen Kopf tätschelte.
    Meine Erbse schoss an Danners Glatze vorbei in Richtung Boden. Mit einem Satz flog die kleine Hündin hinterher und stürzte sich

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