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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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unkompliziertesten anziehen ließen.
    »So, Frau Eberhart, jetz jeht es in den Rolli rüber«, verkündete Janine zackig, während die alte Dame traurig Bluse, Rock und Blazer nachsah. Sie hatte das Kostüm extra rausgesucht, weil sie Besuch von ihrer Enkelin hatte, die im Wohnzimmer wartete. Gnadenlos stopfte Janine den schwer bepackten Kleiderbügel zurück in den Schrank.
    Dann griff sie der zerbrechlichen Frau unter die dünnen Beine, die in einer ausgewaschenen Jogginghose steckten, und wuchtete sie in den bereitstehenden Rollstuhl.
    »Aber das kann ich doch selbst, Frau Hinze!«, stammelte die Patientin überrascht.
    »Dat is ’n Service, hm?« Janine drehte den Rolli schwungvoll an den Tisch am Fenster und schob der Frau eine Teetasse unter die Nase. »Dann wünsche ich viel Spaß mit der Ute. Und lassen Se sich nicht wieder die ganze Rente aus der Tasche ziehen von der kleinen Erbschleicherin.«
    Janine zwinkerte der alten Dame zu und schloss rumsend den Pflegekoffer.
    »Wir sind so weit«, verkündete sie der Enkelin, die in der Küche rauchte. Gleich darauf krachte die Wohnungstür hinter uns ins Schloss.
    »Die taucht nur auf, weil Omma Eberhart versprochen hat, ihr zehntausend Euro zu vererben.« Wütend schepperte Janine den Pflegekoffer in den Dienstwagen. »Dat kotzt mich an.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Fünf Minuten gespart, reicht für ’ne Kippe.«
    Auch das Sprechen in ganzen Sätzen hatte sich Janine wohl aus Zeitgründen abgewöhnt. Sie angelte eine Schachtel mit Kamelaufdruck aus der Hosentasche.
    »Natürlich hat Omma Eberhart keine zehntausend Mücken auffer hohen Kante.« Sie hielt mir die Packung hin.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Schulterzuckend steckte Janine ihre Kippe an. »Aber dat erfährt die liebe Ute ja erst, wenn das Testament verlesen wird.«
    Ich grinste.
    »Die greift so schon jenug Kohle ab.« Janine blies den Rauch ins kühle Grau der Morgendämmerung. »Taucht immer am Monatsanfang auf. Als sie letztes Mal da war, musste Omma Eberhart den Rest des Monats Nudeln essen. Wie ’n Aasgeier, die hüpfen schon um dat Vieh rum, bevor es verreckt ist.«
    Janines Empörung schien echt. Was sie trotz ihrer prolligen Art sympathisch machte.
    Die Blondierte zog so kräftig an der Zigarette, dass der Glimmstängel gleich halb verglüht war. Sogar beim Rauchen hatte sie es eilig. Ich fragte mich unwillkürlich, ob ihr ihr eigenes Tempo überhaupt bewusst war. Und wie lange sie das durchhalten konnte.
    »Hoffe echt, es kommt nie einer auf die Idee, mir wat zu vererben«, motzte Janine, ohne Luft zu holen, weiter. »Wer mir wat geben will, soll dat jefälligst zu Lebzeiten erledigen.«
    Ein Gedanke ging mir durch den Kopf. »Wird denn euch – äh, uns Pflegekräften manchmal was vererbt?«, erkundigte ich mich neugierig.
    Janine lachte auf: »Mir jedenfalls nicht. Wenn du damit dein Gehalt aufbessern willst, vergiss es. Agi hat mal einer ’ne Katze hinterlassen, glaube ich. Aber sonst …«
    Hm.
    Mir gefiel die Erbschleicher-Idee. Wo Geld ins Spiel kam, wurde ein Fall ja meist interessant. Jedenfalls ein besserer Grund als Mitleid, aus dem der Tod eines alten Menschen wünschenswert war. Ließ sich herausfinden, wer all die Verstorbenen auf Danners Liste beerbt hatte?
    In der Umkleide trafen wir wieder auf Gülcan, die ihre Tour zeitgleich beendete. Daraus schloss ich, dass die Türkin ein ähnliches Arbeitstempo wie Janine an den Tag legte.
    Agnes Friedlich und Danner hingegen waren nicht zu sehen.
    Kein Wunder, denn die pummelige, kleine Pflegerin hielt sich ja genau wie Hedi nicht an die Zeitvorgaben, die ein Büromensch am Schreibtisch errechnet hatte. Danner würde also noch ein bis zwei Stündchen beschäftigt sein.
    Janine und Gülcan hingegen planten in ihrer Freizeit offensichtlich keine unbezahlten Überstunden. Janine warf ihre Kittelbluse zusammengeknüllt in ihren Spind, die Türkin war bereits in Zivil. Zu einer gut geschnittenen, schwarzen Jeans trug sie ein enges, dunkles Shirt. Gerade bückte sie sich, um ihre Turnschuhe gegen Lederstiefel mit Absatz zu tauschen. Dabei konnte ich den weißen Aufdruck zwischen ihren Schultern gut erkennen.
    bloggergirls.de, stand da.
    Etwas Ähnliches hatte ich heute doch schon mal gelesen?! Nur wo?
    Mein Blick flitzte auf Janines pinkfarbenen Busen.
    Ach ja!
    Blog it!, las ich die weiße Schrift auf dem grellen Hintergrund.
    An einen Zufall konnte ich kaum glauben.
    Tag 12
    BELLAS BLOG:
    DIENSTAG, 21.19 UHR
    Ich halte mich für

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