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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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verdauen, brauch ich noch ’n halben, Molle.«
    Tag 11
    BELLAS BLOG:
    MONTAG, 22.54 UHR
    Ich korrigiere meinen letzten Eintrag: Den Sex des Monats hatte ich vor einer halben Stunde. Kein Grund, mich über Langeweile im Bett zu beschweren. Trotz Hochzeit.
    Dabei hatte ich zuerst Grund zur Scheidung. Nach halb acht kam Mario nach Hause. Der Abfalleimer im Bad war Auslöser der Ehekrise.
    Wie gesagt, ich bin kein Naturtalent in Sachen Hausarbeit. Bei den Patienten leere ich sorgfältig jeden Aschenbecher. Aber meinen eigenen Müll trage ich nur alle zwei Wochen raus.
    Vor ungefähr einer Woche habe ich die verdächtige Tupperdose im Kühlschrank entdeckt. Eine gelbe Flüssigkeit war durch das milchige Plastik zu erkennen. Darin eine wabbelige, weißliche Substanz. Die sich zu bewegen schien. Sicherheitshalber ließ ich das Ding verschlossen. Mittlerweile meine ich, dass es sich um ein Stück mittelalten Gouda gehandelt haben muss. Das Haltbarkeitsdatum wurde ungefähr Pfingsten überschritten.
    Ich habe die chemische Bombe samt Tupperdose entsorgt. Im Müll eimer im Bad. Ich stopfe immer sämtliche Abfallbehälter im Haus voll. Um dann in einem Gang alle Beutel auf einmal einzusammeln. So muss ich den Weg zur Tonne am Carport nicht öfter als nötig machen.
    Für die Hygiene unseres Haushalts wäre es von Vorteil, häufiger einen Müllbeutel mit hinauszunehmen. Meint Mario. Eine Idee, die einige Argumente auf ihrer Seite hat. Was dagegenspricht, ist die Tatsache, dass auch Mario jeden Morgen an der Mülltonne vorbeikommt.
    Jedenfalls hat Mario bei einer längeren Sitzung auf ebendiesem Klo besagten Abfalleimer inspiziert. Die folgende Formulierung konnte ich problemlos in der Küche verstehen.
    »Bella! Bei drei bist du hier und schaffst diese Seuchenstation aus dem Haus! Oder du kannst gleich mit in der Mülltonne einziehen! Das Klima scheint dir ja zu gefallen!«
    Ich war nicht in der Stimmung, klein beizugeben. Und um des lieben Friedens willen einfach den Müll rauszutragen.
    »Wieso ich? Du kommst auch jeden Morgen an der Tonne vorbei.«
    Widerspruch macht Mario richtig sauer. Er glaubt, er würde sechs Stunden am Tag länger arbeiten als ich. Und seine Arbeit sei viel anstrengender als meine. Da sei es mehr als gerecht, wenn ich die Hausarbeit übernähme.
    Das sehe ich anders. Ich habe genauso einen Vollzeitjob wie er. Außerdem muss ich jedes zweite Wochenende durcharbeiten. Und ich kann nichts dazu, dass ich nicht quer durch Deutschland geschickt werde. Und trotzdem mehr Geld bekomme.
    Ich erledige sowieso den größten Teil der Hausarbeit. Da ist es nicht zu viel verlangt, dass er auch mal den Müll mitnimmt.
    Wenn ich mit Mario diskutiere, kann ich besser argumentieren als gegenüber der Chefin. Trotzdem konnte ich ihn noch nie von meiner Meinung überzeugen. Was nicht heißt, dass ich aufhöre, es zu versuchen.
    Diese Streits enden meist damit, dass Mario rumbrüllt.
    Und ich mich im Badezimmer einschließe.
    Und heule. Nicht heldenhaft, ich weiß. Aber es funktioniert. Es dauert drei bis fünf Minuten, bis Mario sich wieder beruhigt hat. Und meist folgt auf so einen Streit der Sex des Monats.
    Sina ist eifersüchtig deswegen. Sie würde Luftsprünge machen vor Freude, wenn ihr Dauerlover Dieter sie mal anbrüllen würde. Und danach auf dem Wäschetrockner vernascht.
    Spontanität ist nicht Dieters Stärke. Er ist ein Studierter, mit Strickjacke und Hornbrille. Legt Wert auf Körperpflege. Benutzt Anti-Aging-Creme. Und tönt regelmäßig seine Schmalztolle. Ein frisch bezogenes Bett und geputzte Zähne sind für Dieter Grundvoraussetzungen für Sex. Und wenn ein Computer in der Nähe ist, ist das Ding interessanter als die Frau.
    Insofern kann ich mich über Mario nicht beschweren.
    Weder ein Computer noch der Fernseher interessieren ihn mehr als ich.
    Nur ich …
    Das muss ich zugeben, wenn ich ehrlich bin. Und ich schreibe hier ja mein Tagebuch, da kann ich ja mal ganz offen sein. Zur Abwechslung.
    Wenn ich die Wahl hätte. Zwischen Sex auf dem Wäschetrockner und dem großen Rosamunde-Pilcher-Sonntagsfilm.
    Ich würde einen Augenblick überlegen …

8.
    »So ein Mist!«, fluchte die wasserstoffblonde Janine Hinze, als ich am nächsten Morgen um Viertel vor sechs in die von einer einzelnen, flimmernden Neonröhre erleuchtete Damenumkleide des Pflegedienstes trat.
    Heute sollte Janine, die Brezel, mich mit auf ihre Tour nehmen, während Danner der älteren, moppelig-fröhlichen Agnes Friedlich zugeteilt

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