Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
77 Tage

77 Tage

Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
Vom Netzwerk:
blauem Schaumgummi schwamm vor dem Klo.
    »So ein Mist!«, fluchte ich, als lauwarmes Badewasser in meine Turnschuhe schwappte. Ich drehte den quietschenden Hahn zu. Endlich verstummte das Rauschen.
    »Frau Küppers!«, rief ich jetzt laut und hörbar genervt in die stille Wohnung. Sollte sie ruhig giftig werden, die alte Ziege, schlechte Laune hatte ich auch. Ihre private Poolparty würde meine Endlostour mit Hedi um mindestens eine weitere Stunde verlängern. Mal sehen, wer von uns beiden biestiger werden konnte.
    Doch von der Giftspritze war nicht ein einziges weißes Haar zu sehen.
    Ich watete zum Wohnzimmer, klopfte und schob die Tür über den durch eine Schwelle trocken gebliebenen Teppich. Die alte Frau saß im Sessel am Fenster. Die Zeitung auf dem Schoß, im schwächer werdenden Licht der Dämmerung. Wäre sie nicht zu geizig, die Stehlampe neben ihrem Sessel zu benutzen, hätte sie zumindest den Kurzschluss bemerkt.
    Allein konnte die kaum weiterhin in der Wohnung leben, auch wenn sie körperlich fit war. Die demolierte ja das ganze Haus. Der Wasserhahn musste schon seit Stunden aufgedreht sein, um eine derartige Flutwelle zu produzieren. Sicher hatte das Badewasser auch die Wohnung ein Stock tiefer geflutet. Und morgen ließ die Giftspritze womöglich den Herd an und fackelte den Rest der Hütte ab.
    Außerdem hielt sie es nicht mal für nötig, mich zu begrüßen.
    »Sie haben das Badewasser vergessen!« Ärgerlich zupfte ich ihr die Zeitung vom Schoß. Ihre darauf liegende Hand fiel leblos herunter. Ein schnurloses Telefon schepperte auf den Boden und zerfiel in Einzelteile.
    Erschrocken betrachtete ich das Gesicht der Patientin. Ihre graue, faltige Haut wirkte blutleer, ihre grünen Augen leuchteten nicht mehr, ihr Mund stand offen.
    Sie gab ein wütendes Summen von sich.
    Im nächsten Moment krabbelte eine frühe Fliege zwischen ihren Lippen hervor.
    Ich schrie vor Schreck.
    Die war tot! Die Küppers war tot! Die saß hier einfach tot im Stuhl! Das konnte doch nicht wahr sein!?
    Was sollte ich jetzt machen?
    Wo, verdammt, blieb Hedi?
    Ich konnte nicht einfach neben einer Toten stehen bleiben und warten. Bis Hedi irgendwann ihre Tourdaten fertig getippt hatte. Ich musste was unternehmen.
    Erste Hilfe, fiel mir ein.
    Ach du Scheiße! Sollte ich die alte Frau etwa wiederbeleben?
    Beatmen? Mein Blick wanderte auf die nach innen gefallenen Lippen, einen angetrockneten Speiserest im Mundwinkel. Die dicke, schwarze Fliege, die jetzt unter ihre Nase krabbelte.
    Mir wurde übel.
    Was würde Danner an meiner Stelle tun?
    Den Puls suchen. Das könnte gehen.
    Ich war schon ein paarmal beim Fund einer Leiche dabei gewesen. Bloß nie allein. Mit zitternden Fingern griff ich nach der schlaff herunterhängenden Hand der Frau. Sie war kühl, aber nicht kalt. Knochig und knotig. Ich fand keinen Puls, obwohl etliche Blutgefäße bläulich durch die Haut schimmerten. Aber lange tot war sie noch nicht. War ihr Herz womöglich eben erst stehen geblieben? Konnte ich sie mit einer Herzdruckmassage noch retten?
    Ich versuchte, den Puls am Hals zu finden, tastete neben dem knorpeligen Kehlkopf in der weichen, runzligen Haut nach der Halsschlagader. Plötzlich kippte der Kopf der Frau nach hinten auf die Lehne des Sessels, der Mund klaffte weiter auf. Die erblassten Augen starrten mich an. Quietschend sprang ich zurück.
    »Lila? Ist was passiert?«, hörte ich Hedi auf der Treppe rufen.
    Na endlich!
    Tag 32
    BELLAS BLOG:
    MONTAG, 23.04 UHR
    Es ist Montag. 23.04 Uhr. Das steht schon oben im Index. Weiß ich. Ich muss es trotzdem noch einmal aufschreiben.
    Es ist Montag. 23.05 Uhr jetzt.
    Und ich bin schwanger!
    Ich bekomme ein Kind. Wirklich. Ein Kind.
    Habe ich tatsächlich gedacht, dass mir das nicht passieren kann? Nur weil es ein Jahr lang nicht passiert ist?
    Keine Ahnung. Jedenfalls bin ich aus allen Wolken gefallen. Als die Ärztin den Ultraschall gemacht hat. Heute Nachmittag. Vor fast sieben Stunden.
    Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, relativ hoch, wenn man nicht verhütet. Theoretisch war mir das klar.
    Praktisch nicht. Der Erklärung der Ärztin konnte ich kaum folgen. Vielleicht habe ich so was wie einen Schock. Komisches Gefühl. Als hätte eine außerirdische Lebensform von meinem Körper Besitz ergriffen.
    Dabei habe ich es mir so oft vorgestellt. Im letzten Jahr. Was wäre, wenn ich schwanger werden würde. Dabei kann man es sich nicht vorstellen.
    Ich kann es mir immer noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher