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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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geworfen. Bei ihrem Lieblings-Fast-Food-Griechen. Ich staune, dass er nicht daran erstickt ist.
    Seine pragmatische Antwort: »Warum eigentlich nicht?«
    Nachdem er begriffen hatte, worum es ging.
    Uff. Der Sex-Appeal einer Kopfschmerztablette.
    Mario hatte mir auf ähnliche Art einen Antrag gemacht. Zu Hause. Bei italienischem Essen und Rotwein. Er hatte selbst gekocht. Rucola-Mozzarella-Pizza. Mario ist durchaus in der Lage, so was auf den Tisch zu bringen. Er hält das Kochen nur nicht für seine Aufgabe. Das ist das Problem.
    Der Ring in meinem Weinglas war aus reinem Platin. In den wirklich wichtigen Dingen ist auf Mario Verlass.
    Ich bin froh, dass ich nicht Dieter den Dämlichen geheiratet habe.

19.
    »Frau Küppers kommt noch ganz gut allein zurecht. Ihr Kurzzeitgedächtnis ist nicht mehr das beste. Und wenn sie die Orientierung verliert, beschimpft sie leider andere Menschen«, erklärte Hedi.
    Besser, als zu onanieren, fand ich.
    »Sie lässt gern mal den Herd an oder den Wasserhahn laufen und fragt ständig, wo ich ihren Schmuck oder ihr Portemonnaie hingelegt habe. Außerdem ist sie eine misstrauische und schwierige Person, die im Zweifelsfall erst mal ›die Hilfe‹ verdächtigt, was mitgehen gelassen zu haben. Die beschwert sich sofort bei Anna. Natürlich kennt Anna die Problematik und beruhigt sie wieder, aber nervig ist das schon. Ist ja schon vorgekommen, dass sich Pflegepersonal bei alten Leuten bedient hat.«
    Ach ja? Interessant. Vielleicht schaffte jemand alte Menschen beiseite, um seine Diebstähle zu vertuschen?
    Hedi bemerkte, dass ich mit dem schweren Pflegekoffer in der Hand auf sie wartete, während sie an ihrem Diensthandy fummelte.
    »Entschuldige, ich hab die Daten von Herrn Lauscher noch nicht eingegeben. Das muss ich kurz nachholen, sonst kommt meine ganze Abrechnung durcheinander.« Mit zur Seite geneigtem Kopf tippte Hedi auf dem Gerät herum, das Navi, Handy, Stempeluhr und Abrechnungscomputer in einem darstellte.
    Und sie gehörte zu den Menschen, die besser zu Fuß losgehen, um die Nachricht persönlich zu überbringen, statt eine SMS zu schreiben. Allein die Zeit, die sie benötigte, um ihre Tourdaten in den kleinen Computer einzugeben, machte es ihr unmöglich, ihren Zeitplan einzuhalten.
    Ich stellte den Pflegekoffer ab und schüttelte meinen Arm aus.
    »Hier ist der Schlüssel.« Hedi warf mir ihr klimperndes Bündel zu. Ihr war meine Ungeduld nicht entgangen. »Du kannst die liebe Frau Küppers schon mal begrüßen und sie seelisch darauf vorbereiten, dass sie sich gleich zu waschen hat. Du weißt ja langsam, wie’s geht.« Hedi grinste. »Und wenn sie dich beißen will, nicht vergessen: Ihre angriffslustige Stimmung wahrnehmen und Interesse dran zeigen.«
    Na, wunderbar. Ich schnitt eine Grimasse.
    Den Schlüssel zwischen den Zähnen, damit ich beide Hände für den Koffer frei hatte, ächzte ich das enge Treppenhaus hinauf.
    Wenn die Giftspritze mich wieder als Nutte beschimpfte, sollte ich also einfach mal ›Interesse zeigen‹. Kennen Sie denn eine Nutte, Frau Küppers? Oder waren Sie früher selbst in dem Gewerbe tätig? Toller Tipp, Hedi.
    An der Wohnungstür drückte ich die Klingel, um mein Kommen anzukündigen, bevor ich aufschloss.
    Der Flur war düster, voll mit wuchtigen Möbeln und roch nach Lavendel. Licht brannte nicht.
    Ach ja, die Gruft.
    »Pflegedienst Sonnenschein! «, machte ich mich überlaut bemerkbar.
    Keine Antwort. Ein monotones Rauschen war zu hören, ansonsten blieb es still. Leer. Es kam mir vor, als wäre niemand zu Hause.
    Mit beiden Händen griff ich den Pflegekoffer und zog ihn in den Flur. Mein Turnschuh machte ein patschendes Geräusch, als wäre ich in eine Pfütze getreten.
    Mit der Fußspitze tippte ich noch einmal auf den grauschwarzen Teppich. Wasser, kein Zweifel. Stromsparzwang hin oder her, ich tastete an der Wand nach dem Lichtschalter. Es klickte, als ich ihn drückte, doch im Flur blieb es dunkel. Kurzschluss.
    Zusammen mit dem beständigen leisen Rauschen ergab das eine ungute Ahnung.
    Sie vergisst gern, den Wasserhahn abzudrehen, erinnerte ich mich an Hedis Erklärung zu Frau Küppers beginnender Demenz. So ein Mist. Das sah nach Überstunden aus.
    »Frau Küppers?« Ich stellte den Koffer auf dem vollgesogenen Teppich ab und eilte durch den engen Flur, auf das Geräusch zu.
    »Frau Küppers!«
    Rechts ins Badezimmer. Der Wasserstrahl rauschte in die übervolle Wanne, Lavendelschaum waberte über den Rand. Eine Matte aus

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