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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Muslima. Ich war keins dieser Opfer, die sich bedrohen, verfolgen und zusammenschlagen ließ, ohne sich zu wehren.
    Oder …?
    Nachdenklich sah ich die enge, leere Straße hinunter. Der Regenschleier dämpfte das Licht der Straßenlaternen. Wie in meinen Albträumen. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
    Automatisch tastete ich nach dem geklauten Füller in meiner Jackentasche. Dabei stießen meine Finger auf mein Handy. Ich zog es hervor, obwohl ich in ein paar Minuten zu Hause war. Doch das leuchtende Display hatte etwas Beruhigendes.
    Danner hatte eine SMS geschickt, vor ein paar Stunden bereits.
    Bestatter spendiert Weihnachtsessen. Kleine Korruption, aber kein Mordmotiv.
    Wäre auch zu schön gewesen, wenn der Haus-und-Hof-Bestatter Elsbeth van Pels ein mehrstelliges Kopfgeld pro Leiche bezahlt hätte, mit dem die Pflegedienstleiterin als nebenberufliche Mörderin ihr Gehalt aufbessern konnte.
    Van Pels ist nicht begeistert, dass wir sie verdächtigen, hatte Danner noch hinzugefügt. Ich wunderte mich, dass keine weitere SMS mit dem Wortlaut Sind gefeuert gefolgt war.
    Ich steckte das Telefon wieder ein, denn ich hatte Molles Kneipe erreicht. Durch die verregneten Fenster und zwischen den Topfpflanzen hindurch konnte ich Danner und Molle mit ihren Biergläsern an der Theke sitzen sehen. Einsamkeit stieg in mir hoch wie kaltes Wasser.
    »Wie siehst du denn schon wieder aus?«, zischte es plötzlich heiser in meinem Nacken.
    Er packt mein Handgelenk, reißt mich zurück, der Schmerz schießt meinen Arm hinauf. Die Faust vor meinem Gesicht, die hochzuckende Hand, sein Brüllen, mein zorniges Kreischen, mein Blut, Röntgenbilder, Krankenschwestern, die gestammelten Erklärungsversuche meiner Mutter.
    In Bruchteilen von Sekunden stürzte auf mich ein, woran ich nicht mehr hatte denken wollen.
    Die Stimme meines Vaters klang rau. Sie kratzte auf meiner Haut, knüllte meinen Magen zusammen wie eine Plastiktüte.
    »Deine Mutter fällt vor Schreck tot um, wenn sie deine Haare sieht!« Seine Hand krachte auf meine Schulter, ließ mich ein Stück zusammensacken, kräftige Finger schlossen sich um das Gelenk.
    Da war er, der Moment, vor dem ich mich seit Tagen gefürchtet hatte. Hatte Gülcan recht? War ich ein Opfer? Hätte ich besser fliehen sollen, solange ich noch konnte? Oder schaffte ich es endlich, mich zu wehren?
    »Du nimmst mich nicht mit!«, schrie ich und war trotzdem kaum zu hören.
    »Du nimmst mich nicht mit!«, brüllte ich lauter. Schriller. Mein Kreischen hallte von den Fassaden der Häuser wider. »Und fass mich nicht an, hörst du? Fass mich nie wieder an!«
    Die Ohrfeige knallte gegen meine linke Schläfe, ließ mich schwanken.
    Umfallen würde ich nicht, auf keinen Fall, meldete sich mein alter Trotz.
    Mein Vater packte mein Handgelenk und zerrte mich hinter sich her. Der Schmerz sagte mir, dass mein Arm sich blau färben würde.
    Warum war ich so winzig? Claudius und mein Vater waren groß und kräftig, während meine Mutter und ich schlank und zierlich waren. Ob mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich eine Riesin wie Hedi Sundermann geworden wäre? Und mein Bruder stattdessen ein blonder, blauäugiger Zwerg?
    Hilflos stolperte ich hinter meinem Vater her. Als wäre ich von einer Sekunde zur anderen aus der Bochumer Innenstadt in mein altes Leben zurückgebeamt worden.
    Nein, wir waren noch immer in Bochum. Mein Revier.
    Ich wollte kein Opfer sein!
    »Lass mich los!«, brüllte ich, so laut ich konnte. »Fass mich nicht an! Hilfe!«
    »Bist du total bescheuert?«, tobte mein Vater.
    Ich duckte mich, bevor seine freie, linke Hand auf mein Gesicht zuschnellte. Der schmerzende Griff seiner Rechten um meinen Arm lockerte sich ein wenig. Mit aller Kraft warf ich mich zurück, registrierte, dass ihm mein Arm entglitt. Ich fiel.
    »Hilfe!«
    »Du Miststück!«, fauchte mein Vater erbost.
    Ich landete auf dem Hintern, hopste rückwärts weg. Er setzte nach, langte nach mir. Ich kam stolpernd auf die Füße, begann zu rennen.
    »Ruhe da unten!« Irgendwo klapperte ein Fenster, auf der anderen Straßenseite hatte sich ein Fußgänger nach uns umgedreht, unentschlossen, ob er sich einmischen sollte.
    »Was soll das Geschrei?«
    Ich lief, ohne mich umzusehen, zurück zur Kneipe.
    »Claudius hat recht«, donnerte mein Vater in meinem Rücken. »Du bist nicht zurechnungsfähig! Aber damit kommst du nicht durch! Du hast eine Woche Zeit, um dich zu besinnen! Wenn ich noch mal persönlich kommen und dich holen

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