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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Frauenhaus«, riet sie mir entschieden. »Die helfen dir zu verschwinden. Ich kann dir den Kontakt machen.«
    »Ich will nicht verschwinden!«, platzte ich heraus. »Wieso soll ich mich in Luft auflösen, weil mein Vater ein Problem hat? Nur weil er einen Wutanfall bekommt, soll ich ihm aus dem Weg gehen? Ihn bloß nicht reizen, so wie Bella es vormacht? Kommt nicht infrage!«
    Ich war aufgesprungen und hatte Gülcan angeschrien, merkte ich. Ich hatte die Kontrolle verloren. Und das verständnisvolle Nicken der Türkin verriet mir, dass sie das beabsichtigt hatte.
    Scheiße.
    »Wenn ich eine Therapie brauche, such ich mir einen Psychologen!«, schnauzte ich zornig, wirbelte herum und stürmte hinaus.
    »Bella habe ich auch zum Frauenhaus geraten!«, rief Gülcan mir nach. »Aber sie hört ebenfalls nicht auf mich.«
    Ich knallte die Tür hinter mir zu.
    Tag 47
    BELLAS BLOG:
    DIENSTAG, 23.09 UHR
    Ich habe nie geglaubt, dass Mario mich schlagen könnte. Hätte mir das vor zehn Jahren jemand gesagt, hätte ich laut gelacht. Vor zwei Jahren hätte ich immer noch gelacht. Selbst vor zwei Monaten hätte ich verständnislos den Kopf geschüttelt. Marios Umgangsformen sind nicht immer die besten. Aber er würde mich nie anfassen. Davon war ich überzeugt.
    Heute bin ich mir nicht mehr sicher. Nicht, dass er wirklich gewalttätig geworden wäre. Nein, er betont sogar, dass er mir nie etwas antun würde.
    »Benimm dich nicht, als würde ich dich verlatten! Du weißt genau, dass ich dir nichts tue – obwohl du mir Gründe genug lieferst!«
    Das sagt er. Öfter.
    Heute hat er dabei mein Gesicht mit einer Hand gepackt. Mit Daumen und Fingern hat er meine Wangen zusammengedrückt. Ich sah vermutlich aus wie ein Fisch. Der auf dem Trockenen nach Luft schnappt.
    Keine Ahnung, worüber wir gestritten haben. Ich wollte es mir merken. Hat nicht geklappt. Sein Griff tat nicht wirklich weh, aber ich habe wieder gekuscht. Vor Schreck. Heulend habe ich mir seine Standpauke angehört.
    »Räum endlich die Bude auf! Und mach die Wäsche!«
    Ich bin doch kein Teenager. Und er ist nicht mein Vater. Wieso sagt er mir, was ich zu tun habe? Mit welchem Recht? Für wen hält er sich?
    Mir ist der Gedanke gekommen, dass Mario unser Kind vielleicht gar nicht will. Ich meine, ich bin schwanger. Er sollte mich auf Händen tragen. Mir jeden Wunsch von den Lippen ablesen. So habe ich es mir jedenfalls vorgestellt. Und jetzt streiten wir nur noch. Schlimmer als vorher.
    Was, wenn er das Kind nicht will?
    Ich habe noch nie darüber nachgedacht, ob ich ein Kind allein erziehen kann. Im Gegenteil. Eigentlich sollte Mario die Elternzeit machen. Weil ich mehr verdiene. Und die besseren Arbeitszeiten habe.
    Wie soll ich die Erziehung allein bewerkstelligen?
    Obwohl …
    Eigentlich ist die Frage doch eine ganz andere. Will ich mit Mario mein Kind aufziehen?
    Im Augenblick nicht! Definitiv nicht!
    Wow! Warum komme ich da erst jetzt drauf? Ich kann mir gar nicht vorstellen, Mario mit meinem Kind allein zu lassen! So wie der im Augenblick drauf ist. Er regt sich über jeden Fliegenschiss auf. Staubsauger und Schmutzwäsche lassen ihn ausrasten. Wie soll er da mit Geschrei, stinkenden Windeln und erbrochenem Babybrei zurechtkommen?
    Wahnsinn. Tagebuchschreiben bringt einen zum Nachdenken. Zuerst wollte ich nur zum Spaß schreiben. Einen mehr oder weniger amüsanten Blog. Mich ein bisschen über die Drachen beschweren, mit denen ich täglich kämpfe.
    Aber es ist nicht amüsant.

26.
    Es dämmerte langsam und ein feiner, eiskalter Nieselregen ließ Bochum im Grau versinken. Passend zu meiner Stimmung. Gülcans Befragung war mit Abstand die mieseste Ermittlungsarbeit in meiner kurzen Laufbahn als Privatdetektivin. Statt herauszufinden, ob die Frauenrechtlerin den männlichen Anteil der Wähler reduzierte, hatte ich ihr meine privaten Probleme präsentiert. Ausgerechnet einer mutmaßlichen Mordverdächtigen, Meisterleistung. Denn Gülcan war intelligent und radikal genug, um meine Hauptverdächtige zu bleiben.
    Wie eine blutige Anfängerin hatte sie mich aus dem Konzept gebracht, mich mit meiner Angst konfrontiert. Holzhammer vor Kopf, ich fühlte mich wie nach einem Schlag in die Fresse. Sah man mir wirklich an, dass ich zum Klub gehörte? Wirkte ich so verhuscht und verängstigt, dass man mir Hilfe anbieten musste?
    Überhaupt, ein Frauenhaus. Absurd. Ich war doch keine wehrlose Ehefrau, die ihrem gewalttätigen Mann entfliehen wollte. Keine vom Ehrenmord bedrohte

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