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77 Tage

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Titel: 77 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Dieter-Krise auch auf den Geist gegangen ist.
    Vielleicht will ich auch nur hören, dass mein eigenes Leben gar nicht so beschissen ist, wie es mir im Augenblick vorkommt. Bis jetzt hat mich Sina noch immer überzeugt, dass ihr eigenes Leben hundertmal chaotischer ist. Dass ihre Beziehung viel, viel schlechter läuft. Und ich mich über Kleinigkeiten beschwere.
    Vermutlich läuft es bei Sina im Augenblick aber gar nicht schlecht. Fürchte ich. Denn wenn eine neue Krise eingetreten wäre, hätte sie mich davon in Kenntnis gesetzt.
    Also sitze ich vor dem Telefon. Wie kann ich ihr sagen, dass es bei mir nicht gut läuft?
    Ich weiß es nicht. Mir fallen die richtigen Worte nicht ein.
    Na ja, eigentlich doch. So schwer ist es ja nicht.
    »Hör mal, Sina, ich hab Stress mit Mario.«
    Ich greife zum Hörer. Da fällt mir ein Grund ein, aus dem ich Sina gerade in diesem Augenblick nicht stören kann.
    Sie arbeitet jeden Tag bis sechzehn Uhr. Gut, sie arbeitet zu Hause. Von ihrem Computer aus. Aber sie müsste wegen mir eine Pause einlegen.
    Also verschiebe ich den Anruf. Auf abends. Abends könnte sie aber gerade mit Dieter im Bett liegen. Schließlich sind sie frisch verlobt. Als ob Dieter je auf die Idee käme, spontan Sex zu haben. Während die Nachrichten laufen. Egal. Ich verschiebe den Anruf wieder. Auf den nächsten Morgen. Und rede mir dann ein, dass Sina neuerdings bis mittags schläft. Ich glaube sogar daran. Ernsthaft.
    So geht das seit Tagen.
    Was ich damit sagen will: Ich schaffe es nicht, meine beste Freundin anzurufen. Ich schaffe es einfach nicht.
    Seit Wochen weiß ich von meiner Schwangerschaft. Und kriege es nicht hin, Sina davon zu erzählen. Ich denke über eine Trennung nach. Aber ich kann mit niemandem darüber reden.
    Ich kann es nicht.
    Ich glaube, ich gehöre in die Geschlossene.

25.
    »Du willst den Kerlen also auch klarmachen, dass sie nichts zu sagen haben, hm?«, erkundigte sich Gülcan im Plauderton, während eine teuer wirkende, weiße Kaffeemaschine ratternd frische Bohnen zerkleinerte.
    Ich zuckte unmerklich zusammen.
    Wieso fragte sie nach meiner Einstellung zu Männern? Ahnte sie etwa, warum ich wirklich hier war?
    Rasch sah ich zu der Türkin hinüber. Sie lehnte mit dem Rücken an der Spüle und beobachtete mich.
    Verdammt! Hatte sie gesehen, dass mich ihre Frage erschreckt hatte? Mir wurde heiß.
    »So ungefähr«, murmelte ich. Ich senkte meinen Blick auf den klobigen, alten Klapprechner, der sich vor mir auf dem Küchentisch surrend bemühte, endlich eine Internetverbindung herzustellen. Locker bleiben. Ich ließ mich ja in die Enge treiben wie eine blutige Anfängerin.
    »Kaputter Akku?«, versuchte ich plump, etwas Zeit zu gewinnen. Ich deutete auf das Kabel, das das Gerät mit dem Stromnetz verband. Ich hatte Gülcan unterschätzt. Als Politikerin war sie vermutlich rhetorisch geschult. Während ich selbst nur dreist und planlos herumschnüffelte.
    »Wenn ich in den Stadtrat gewählt werde, ist hoffentlich ein neuer drin.« Gülcan drückte auf einen blinkenden Knopf und der Kaffeeautomat spuckte die duftende Flüssigkeit in einen Becher. »Bist du schon in einem Verein dabei?«
    Häh? »Sport?« Ich schaffte es nicht, ihren Gedankensprüngen zu folgen.
    Lachend stellte sie mir den Kaffee hin. »Politik natürlich.«
    Sie setzte sich mir gegenüber und zog sich den Rechner heran.
    Ich atmete durch, weil ich endlich schnallte, worauf sie hinauswollte. Sie suchte grünen Nachwuchs.
    »Ich war mal Mitglied bei Green Peace.«
    »Das ist schon mal ein Anfang.« Gülcan tickerte kurz auf der Tastatur herum. Dann stand sie noch mal auf, um sich selbst eine Tasse Kaffee aufzubrühen, während sich auf dem Computerbildschirm mühsam die Seite der bloggergirls aufbaute.
    Ich griff nach dem Laptop.
    »Deine Seite wollte ich verlinken.« Ich dachte kurz nach, während ich meinen Blog mit dem Titel Mylilalife heraussuchte. »Und Janine …« Als sich der Bildschirm violett verfärbte, drehte ich den Rechner zu Gülcan herum, die sich wieder gegenübersetzte.
    »Und Mona verknüpfe ich dann natürlich auch«, fügte ich noch hinzu, während Gülcan bereits mit wenigen Klicks die Seiten vernetzte.
    »Du brauchst nur die Netzadresse des Blogs in diese Liste einzufügen«, erklärte mir Gülcan und gab flott www.blogger-girls/mos-loveblog.de ein. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht grinsen zu müssen. Bei der bemitleidenswert talentfreien Schnulzenschreiberin handelte es sich tatsächlich

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