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8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge

8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge

Titel: 8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hrsg Arnulf D Helmuth W & Krauß Mommers
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Oktober. Er saß zusammengesunken am Rand der Koje. Noch einen Monat hatte er zu leben.
    In der letzten Woche hatte er überhaupt nicht mehr gelebt. Er wußte, daß es diese Woche gegeben hatte, aber sie war verschwunden wie etwas, das im Dunkel vorbeirast, das blitzschnell im Schatten verschwindet. Sie hatte ihn nicht berührt, und er hatte sie nicht berührt. Ein Intervall, ein unbestimmbarer Zeitausschnitt.
    Jetzt war es Nacht. Im Gang, auf den seine Todeszelle hinausführte, brannten die Lampen. Sie waren nicht abgeschirmt. Wenn er aufstand, das Gesicht gegen die Gitterstäbe preßte und den Kopf drehte, so konnte er sehen, wie der Gang in regelmäßigen Abständen von vergitterten Türen unterbrochen wurde. An jedem Ende des Korridors, links näher bei ihm als rechts, befand sich eine einfache Tür. Über ihm war die Zementdecke, unter ihm der Zementfußboden, und von allen Seiten kamen Zementwände auf ihn zu.
    Vor einem Monat hätte er sie zu Glas und Balsaholz und Siegelwachs machen können. Zu Stoffstreifen.
    Er konnte nicht an die Echtheit des Verbrechens glauben. Er hatte es nicht begangen. Das Ganze war eine bewußte Konstruktion, von Anfang bis zum Ende. Und wie konnte er das Mädchen wirklich umgebracht haben, wenn er dieses Bewußtsein besaß? Beweise? Ganze Berge von Beweisen. Aber er konnte sich nicht mehr erinnern, womit sie ihm seine Schuld nachgewiesen hatten.
    Er verstand nicht, was geschehen war. Er war ein Gott gewesen – oder fast ein Gott. Zeit und Raum konnten von seiner Hand geformt werden. Er konnte Materie schaffen und zerstören.
    Das hatte er zumindest angenommen.
    Gab es noch eine andere Antwort? War er vielleicht das Werkzeug in der Hand irgendeiner Gottheit, dazu bestimmt, einen rätselhaften Zweck zu erfüllen und nun achtlos beiseite geschleudert, zerbrochen, vergessen? Er hatte geglaubt, die Antwort auf das Problem seiner verschobenen Erinnerungen gefunden zu haben. Damals, in Roger Bates’ Wohnung, bei seiner ersten Unterredung mit dem Psychologen – als die Konversation sich plötzlich in dem anderen Zeitschema abspielte. Er hatte erkannt, daß er unvermeidlich selbst der Autor und Regisseur eines kosmischen Dramas war.
    Doch das stimmte nicht. Wenn er am Ende der Verhandlung versagt hatte, dann hatte er von Anfang an versagt. Von jenem ersten dritten Mai an, an dem er eingeklemmt zwischen Metalltrümmern lag, hatte er die Gewalt über sich selbst verloren. Nie hatte er auch nur die Lage eines Grashalms oder die Dauer einer Mikrosekunde verschoben.
    Und wenn er nicht die Fähigkeit besaß, die Realität zu verändern, gab es dann sonst jemanden, der es konnte?
     
    Die Beweise, die man bei der Verhandlung vorgelegt hatte, stimmten also. Er war nach Newcomb gezogen, hatte Troy Christian kennengelernt, bei ihrem Nachbarn eine Wohnung gemietet, einen Unfall gehabt, und aus irgendeinem nur ihm bekannten Grund das Mädchen auf der Straße vor dem Krankenhaus getroffen und umgebracht. Danach war er in sein Bett zurückgekehrt. Erst Monate später meldete er sich mit seiner plumpen Geschichte und dem. ›Geständnis‹ – ein armseliger Versuch, der Strafe zu entgehen.
    Aber wenn das stimmte, dann waren die widersprüchlichen Erinnerungen an den Unfall Irrsinn, dann war die Erinnerung an eine Wohnung in New York Irrsinn, und dann war die Unterredung mit Roger Bates – die Unterredung, um die sich sein ganzes Gedankengebäude drehte – ebenfalls Irrsinn. Sie hatte sich nie zugetragen. Und das war unmöglich. Es gab keine Tatsachen mehr. Er sah sich in ein kompliziertes Gefüge verstrickt, dessen Zusammensetzung er nicht kannte.
    Er streckte die Hände aus …
    Sie klammerten sich um die Gitterstäbe seiner Zelle. »Ich habe sie nicht umgebracht!« schrie er, und das Echo kam von dem Stahl- und Betonkorridor zurück. »Es ist niemals geschehen.«
    »Verdammt, halt die Fresse!« fauchte jemand aus der Zelle nebenan.
    Wieder einmal verging die Zeit zusammenhanglos. Es gab Tage, kurz wie ein Augenaufschlag, in denen sich Nacht und Morgen beinahe pausenlos abwechselten, Tage, in denen er auf seiner Koje dahindämmerte und nur vage wahrnahm, daß schon wieder die Zeit von einer Mahlzeit zur nächsten verstrichen war. Diese Mahlzeiten waren das einzige, an das er sich deutlich erinnerte. Doch es gab auch Tage, an denen er vor sich hinmurmelte: »Ich bin nicht hungrig, also muß ich gegessen haben, also ist schon wieder ein Tag vorbei.« Andere Tage schienen endlos, schienen die Gedanken

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