8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
daß ihre gelegentlich auftretenden übernormalen Kräfte ein Geschenk der Geister waren. Offensichtlich gehörte auch der Onkel in diese Kategorie.
»Besitzt dein Onkel diese Fähigkeit schon lange?« erkundigte sich Ecks.
»Erst seit etwa fünf Jahren«, erwiderte sie. »Seit seinem Tod.«
»Sehr richtig«, sagte eine Stimme. »In diesem Raum lebt nur noch meine Stimme.«
Ecks sah sich schnell um. Die Stimme schien sich in seinem Rücken zu befinden.
»Suche mich nicht«, sprach sie weiter. »Ich bin der Geist von Carls Onkel John.«
Ecks fühlte Panik in sich hochsteigen, bis er den Trick erkannte. Es war natürlich eine telepathische Stimme – so klar eingestellt und kaschiert, daß sie wie eine echte Stimme wirkte. Ein Psi, der ein wenig Geist spielte.
»Mister Ecks«, fuhr die Stimme fort, wobei sie die gesprochene Sprache ausgezeichnet nachmachte, »ich habe Sie unter Aufbietung meiner Kräfte gerettet. Sie sind ein Psi-Krüppel, ein Krankheitsüberträger. Gefangenschaft und Isolierung sind Ihnen widerwärtig, wenn ich mich nicht irre.«
»Sie irren sich nicht«, sagte Ecks. Er suchte mit seinen abgestumpften Sinnen nach der Quelle der Stimme. Die Nachahmung war perfekt. Nicht ein einziges Kennbild schimmerte durch, das die Quelle auch nur angedeutet hätte.
»Sie sind mir vielleicht ein wenig dankbar?« fragte die Stimme.
Ecks sah das Mädchen an. Ihr Gesicht war immer noch ausdruckslos. »Natürlich«, sagte er.
»Ich kenne Ihre Wünsche«, erklärte Onkel John. »Sie suchen eine Zuflucht, bis sich Ihre Kräfte wieder eingestellt haben. Und Sie sollen sie bekommen, Edward Ecks. Sie sollen sie bekommen.«
»Ich wäre Ihnen sehr verbunden«, sagte Ecks. Sein Geist arbeitete schnell. Er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er jetzt tun mußte. Erwartete man von ihm, daß er an den Geist glaubte? Sicher wußte der Psi, der die Botschaft übermittelte, daß ein Student der Mycrowsky-Universität nicht ohne weiteres auf so etwas hereinfallen würde. Andererseits hatte er es vielleicht mit einem Neurotiker zu tun, der aus nur ihm selbst bekannten Gründen Geist spielte. Er entschloß sich, mitzuspielen. Schließlich konnte es ihm egal sein, was sich der Mann einbildete. Wichtig war lediglich, daß er einen Unterschlupf fand.
»Sie hätten natürlich nichts dagegen, mir einen kleinen Gefallen zu erweisen?« fragte Onkel John.
»Was soll ich tun?« erwiderte Ecks. Er war auf seiner Hut.
»Ich kann Ihre Gedanken fühlen«, sagte die Stimme. »Sie glauben, daß die Sache für Sie gefährlich sein könnte. Ich versichere Ihnen, daß das nicht der Fall ist. Obwohl ich nicht allmächtig bin, habe ich doch gewisse Kräfte, die Ihnen unbekannt sind – Ihnen und der gesamten Psi-Wissenschaft. Das müssen Sie mir glauben. Ihre Rettung ist der beste Beweis dafür. Außerdem kann ich nur betonen, daß ich Ihr Bestes will.«
»Wann soll ich Ihnen den Gefallen erweisen?« fragte Ecks.
»Wenn die Zeit gekommen ist. Für den Augenblick verabschiede ich mich von Ihnen, Edward Ecks.«
Die Stimme meldete sich nicht mehr.
Ecks setzte sich auf den Stuhl. Anfangs hatte er sich zwei mögliche Erklärungen zurechtgelegt: der Onkel war entweder ein Psychopath oder ein Psi. Jetzt fiel ihm eine weitere Möglichkeit ein.
Wenn der Onkel ein mutierter Psi war? Die nächste Stufe in der Psi-Entwicklung? Was dann?
Cari ging hinaus und kam mit einer vollen Suppenschüssel wieder.
»Was weißt du noch von deinem Onkel?« fragte Ecks das Mädchen. »Wie war er – als er noch lebte?«
»Oh, ein sehr netter Mann«, erwiderte sie und balancierte die dampfende Schüssel vorsichtig. »Er war Schuhmacher. Als mein Vater starb, zog er mich auf.«
»Machten sich bei ihm jemals Anzeichen von Psi-Fähigkeiten bemerkbar?
Oder besaß er übernatürliche Kräfte?«
»Nein«, meinte Cari. »Er führte ein zurückgezogenes Leben. Erst als er gestorben war …«
Ecks sah das Mädchen mitleidig an. Der Psi hatte zweifellos in ihren Gedanken gelesen, den toten Onkel gefunden – und ihre Leichtgläubigkeit. Das war gemein. Denn er benutzte sie ohne ihren Willen in seinem Schachspiel.
»Iß jetzt bitte die Suppe«, sagte sie. Er nahm sie mechanisch entgegen und sah dem Mädchen dabei zufällig ins Gesicht. Er zog die Hand zurück.
»Du wirst sie essen«, sagte er.
Der erste Farbhauch kam auf ihre Wangen.
Mit einem entschuldigenden Murmeln machte sie sich über die Suppe her. Sie verschüttete sogar etwas in ihrer
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