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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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waren verschlossen, Lovis und sein Vater schliefen also noch. Ein Blick auf das Handydisplay. Halb sieben. Die Küche war aufgeräumt, der Frühstückstisch für drei gedeckt. Sie sollte zusehen, dass sie hier weg kam. Aber vorher noch mal einem Blick in den vollen Kühlschrank. Sie griff sich den restlichen Schinken, ein Stück Käse, eine Packung Tortellini. Die stacheligen Blätter, die vorwitzig aus dem Gemüsefach herausragten, forderten regelrecht dazu auf, auch noch die Ananas zu stibitzen. Sie roch fantastisch. Es war lange her, dass Jenny ein Stück frische Ananas gegessen hatte.
    Zurück in ihrem Zimmer verstaute sie alles in ihrem Rucksack, schlich sich zur Wohnungstür, wo Rintintin schon ungeduldig wartete. Gemeinsam hasteten sie die teppichbelegten Treppen nach unten, nervös wie Diebe, die Angst hatten, erwischt zu werden. Jenny atmete auf, als die Überwachungskameras bei ihrem Gang nach draußen keinen Alarm auslösten. Rintintin lief los, suchte sich einen Pinkel-Baum. Jenny wartete nicht auf ihn. Sie wusste, dass er ihr folgen würde. Mit eiligen Schritten lief sie in Richtung Ebertplatz. Sie wollte diese feine Gegend möglichst schnell hinter sich lassen.
    Sie kam zehn Minuten zu früh in der Schule an. Rintintin vertraute sie der tierlieben Frau Huber aus der Schulbibliothek an, die ihr ausnahmsweise den Gefallen tat, bis Schulschluss auf den Hund aufzupassen. Dann rief sie Joe-Joe auf dem Handy an. Sie weckte ihn, er lag noch im Bett. »Los, steh auf. Du musst in die Schule!« Nicht ein einziges Mal schaffte es Jasmin, ihn pünktlich loszuschicken.
    Erste Stunde Deutsch bei der Safranski, die Hausaufgaben hatte Jenny diesmal gemacht. Doch das half ihr nicht, die Safranski bestellte sie trotzdem nach der Stunde zu sich und fragte wieder nach dem Geld für die Klassenfahrt.
    Â»Morgen bringe ich das Geld, ganz bestimmt«, log Jenny. »Meine Mutter geht heute Nachmittag zur Bank.«
    Â»Jenny!« Die Safranski seufzte tief und klappte das Klassenbuch zu, in dem sie bis jetzt noch geschrieben hatte. Bewusst langsam schraubte sie ihren Füller zu und fixierte Jenny dabei mit ihren Röntgenaugen.
    Â»Ich weiß, dass ihr nicht viel Geld habt. Wenn du den Betrag nicht bezahlen kannst, stelle ich bei unserem Förderverein einen Antrag auf Zuschuss. Die haben einen Topf zur Unterstützung von bedürftigen Schülern. Also?«
    Bedürftig! Das klang nach Almosen, nach Bettelei. Die Kommentare der Mitschüler konnte sich Jenny sehr gut vorstellen. Nein danke! Sie wollte nicht bedürftig sein. Sie war kein Mensch zweiter Klasse. Sie wollte das Geld für die Klassenfahrt bezahlen wie alle anderen auch.
    Â»Nicht nötig«, sagte sie. Ȇber das Bildungspaket krieg ich doch einen Zuschuss für die Klassenfahrt beim Jobcenter. Das Geld holt meine Mutter heute Nachmittag ab. Morgen liefere ich es ab, ganz bestimmt.«
    Die Safranski sah nicht aus, als ob sie ihr glaubte. Wie auch? Jenny glaubte ja selbst nicht dran. Aber immerhin war das Gespräch damit beendet und sie konnte in die Pause gehen.
    Als sie auf dem Rückweg Joe-Joe in der Mittagsbetreuung abholen wollte, war er nicht da. Stattdessen lief sie seiner Klassenlehrerin über den Weg.
    Â»Ist Joe-Joe krank?«, wollte sie wissen und Jenny nickte der Einfachheit halber. »Dann sag doch deiner Mutter, sie soll mich anrufen, damit wir einen Termin ausmachen. Ich muss unbedingt mit ihr über Joe-Joe sprechen.«
    Â»Klar, mach ich.« Was sollte sie sonst sagen? Die Wahrheit etwa? Meine Mutter traut sich nicht mal aus der Roten Burg, meinen Sie, sie kommt zu Ihnen in die Schule? Meine Mutter schafft es nicht, morgens aufzustehen. Ich bin diejenige, die sich darum kümmert, dass Joe-Joe in die Schule geht. Ich mache mir Sorgen um ihn! »Hat er was ausgefressen?«, fragte sie deshalb ganz automatisch.
    Â»Das bespreche ich besser mit deiner Mutter.«
    So ein besserwisserisches Lehrerinnen-Lächeln. Na dann, versuch es mal, dachte Jenny. Gleichzeitig war sie alarmiert. Klar war Joe-Joe kein Musterschüler, das war er nie gewesen. Aber er war auch kein Störenfried. Er war einer, der nicht auffiel und sich so durchmogelte. Bisher jedenfalls hatte es in der Schule seinetwegen nie Ärger gegeben. Der Kleine sollte zusehen, dass er den Stoff kapierte und halbwegs anständige Noten schrieb. Wenn sie sich um Joe-Joe jetzt auch noch Sorgen

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