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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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vielleicht New York.«
    Â»Bringt das Geld?«, fragte Jenny.
    Lovis zuckte mit den Schultern. »Nur wenn du gewinnst«, schrieb er auf die Tafel. »Ansonsten bezahlst du. Anreise, Übernachtung, Startgebühren und so weiter.«
    Natürlich, dachte Jenny. Einer der reich ist, braucht sich keine Gedanken wegen Geld zu machen. Berlin, Paris, New York! Er sagte das, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, so in der Welt herumzureisen. Sie war nie weiter als bis an die Sieg und ins Fantasialand gekommen. Schnell an was anderes denken! Sie lenkte das Gespräch wieder aufs Kochen, indem sie um Salz, Pfeffer, Paprika bat, und nahm das Würfeln von Schinken und Tomaten in Angriff. Während Lovis das Gewünschte suchte, warf sie Rintintin weitere Stücke Schinken zu.
    Â»Wovor hast du Angst?« war die nächste Frage auf Lovis’ Zaubertafel.
    Â»Das willst du gar nicht wissen«, entfuhr es Jenny spontan und sie verscheuchte schnell all die Dinge, vor denen sie Angst hatte, wohlwissend, dass die Liste viel länger würde als die ihrer Wünsche. »Und du?«
    Lovis deutete auf sein Gesicht, auf seinen Mund.
    Kein Wunder, dass er davor Angst hat! Wer will schon zusammengeschlagen werden? Drei gegen einen, das ist wirklich die ganz fiese Nummer, dachte Jenny. Aber vielleicht meint er gar nicht die Schläge?
    Â»Also mich stört dein Stottern nicht«, sagte sie.
    Und das war überhaupt nicht gelogen, im Gegenteil. Irgendwie war sie froh, dass einer, der mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, nicht perfekt war.
    Â»Ich bin Menschen mit Macken gewöhnt«, sagte sie, während sie die Eier in die Pfanne schlug. »Deck mal den Tisch.«
    Lovis holte Teller und Gläser aus dem Schrank und stellte alles auf den großen Esstisch in der Nähe der Balkontür, sogar Servietten legte er obenauf. Jenny rührte all das Kleingeschnittene unter die Eier, würzte mit Pfeffer und Salz, probierte, fügte noch ein wenig Salz hinzu. Perfekt! »Kann man essen«, rief sie dann und schaufelte die Eiermischung auf die beiden Teller.
    Â»Kann man e-essen, ist e-echt u-untertrieben«, lobte Lovis die Eier nach dem Probieren und schob die Zaubertafel beiseite.
    Jenny merkte erst jetzt, wie hungrig sie war. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr gegessen. Trotz des hastigen Löffelns bemerkte sie, dass Lovis sie verstohlen beobachtete. Wenn sie zurückblickte, lächelte er, und sie lächelte auch. Alles seltsam unbekannt und doch ganz merkwürdig vertraut. So als würden sie nicht aus verschiedenen Welten kommen. Sie dachte an den Friesenplatz, nein, nicht an die Schlägerei, sondern an die Situation danach. Wie sie nebeneinander auf dem Bahnsteig lagen, Kopf an Kopf, schwer atmend, sich immer noch an den Händen haltend, obwohl dies nicht mehr nötig war. So als wollte keiner von ihnen die Verbindung abbrechen. Jenny bemerkte ihr Herzklopfen, ihre verwirrten Gefühle. Verlieb dich bloß nicht in ihn!, beschwor sie sich selbst. Schnell über was anderes reden.
    Â»Und du hast wirklich kein Handy?«, fragte sie, als sie die Reste aus der Pfanne gleichmäßig auf die beiden Teller verteilte.
    Lovis schüttelte den Kopf.
    Â»Und wieso?«
    Â»I-ich telefoniere nicht gern.«
    Â»Und wieso?«, wiederholte Jenny.
    Zuerst ein Schulterzucken. Dann säuberte Lovis den Teller mit einem Stück Brot, bis kein Krümelchen mehr darauf zu finden war.
    Â»Musst nicht antworten«, sagte Jenny friedlich.
    Sie war nicht eingeschnappt oder beleidigt. Sie verstand zu gut, dass es Dinge gab, über die man nicht reden wollte. Ihre eigene Liste von solchen Dingen war ziemlich lang.
    Â»Das Stottern.« Lovis blickte an ihr vorbei. »Beim Telefonieren war e-es i-immer da. Wollte nicht, dass e-es ei-einer merkt.«
    Â»Klar«, sagte Jenny. »Jeder versucht, seine Macken zu verstecken. Aber: Nobody is perfect.«
    Lovis lachte, Jenny lachte, irgendwie konnten sie überhaupt nicht mehr aufhören zu lachen. So schreckten sie beide zusammen, als Rintintin anfing zu knurren und jemand plötzlich »Guten Abend, ihr zwei« sagte.
    Offenes Hemd, leichtes Jackett, Bürstenhaarschnitt, misstrauische Augen. Lovis’ Vater folgerte Jenny und alles in ihr schaltete auf Alarm. Wie hatte sie nur vergessen können, dass Lovis nicht allein hier wohnte? Sie schaute zu Lovis hinüber, der wie festgenagelt auf

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