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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Jenny?«, fragte Lovis’ Vater, als er in die Küche zurückkehrte.
    Â»Fünfzehn.«
    Â»Wissen denn deine Eltern, dass du heute bei uns übernachtest?«
    Â»Sicher.«
    O Gott! Jetzt auch noch diese Besorgte-Eltern-Nummer! Bestimmt hat er Angst, dass ihm Jasmin die Hölle heiß macht, wenn sie erfährt, dass er mich hier ohne ihr Wissen schlafen lässt, vermutete Jenny. Jasmin! Die kann keinem die Hölle heiß machen, höchstens sich selbst. Da brauchst du dir echt keine Sorgen machen, Mann!
    Â»Ich könnte bei euch zu Hause anrufen und fragen?«
    Â»Jetzt sofort? Da würde meine Mutter ausflippen. Die liegt schon seit drei Stunden im Bett, weil sie morgen Frühschicht hat und um fünf Uhr aufstehen muss.«
    Â»Papa!«, fuhr Lovis ihn an. »Hör auf sie a-a-auszufragen. Komm, Jenny!«
    Puuhh, seufzte Jenny erleichtert. Lovis, der Retter in der Not! Der Junge zeigte ihr zunächst das Bad und führte sie dann in ein Zimmer mit Schreibtisch und Bücherregalen, an dessen Längsseite ein Bett stand. Es war mit frischen, blütenweißen Laken bezogen und obenauf lagen ein gefaltetes Handtuch, ein gebügeltes T-Shirt und eine noch eingepackte Zahnbürste. Jenny konnte sich nicht erinnern, dass man ihr jemals ein so schönes Bett gerichtet hatte.
    Â»Wird dir zu groß sein.« Lovis deutete auf das T-Shirt.
    Â»Macht nichts.« Sie lächelte ihn an.
    Â»Gute Nacht.«
    Lovis beugte sich blitzschnell zu ihr hinunter und drückte ihr einen hastigen Kuss neben den Mund. Weil er sich nicht traute, sie auf den Mund zu küssen? Oder weil er vor lauter Eile den Mund nicht getroffen hatte? Jenny wusste es nicht, aber sie spürte die Berührung noch, als sie sich wenig später mit frisch geputzten Zähnen in dem gebügelten T-Shirt zwischen die duftenden Laken legte.
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    Lovis war überhaupt nicht müde, das hatte er nur behauptet, damit Gustav ihn nicht mit weiteren Fragen nerven konnte. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt lag er hellwach in seinem Bett. Väter konnten so peinlich sein und Gustav ganz besonders. Diese neugierige Fragerei! Warum musste Gustav Jenny direkt mit dieser Polizei-Nummer nerven? Warum sollte Jenny ausgerechnet Gustav, einem Wildfremden, erzählen, warum sie von zu Hause abgehauen war? Ein wirklich mieser Schuppen, in dem sie wohnte. Heruntergekommen, altersschwach, im Flur der Geruch von Katzenpisse und anderen miefigen Ausdünstungen. Ihren Eltern schien es finanziell nicht gut zu gehen, wenn sie so wohnen mussten. Probleme, sicher hatte Jenny Probleme. Die hatte doch jeder, mal mehr, mal weniger. »Ich bin Leute mit Macken gewohnt«, hatte sie gesagt. Lovis glaubte ihr wirklich, dass sie sein Stottern nicht störte. Er fühlte sich unglaublich wohl in ihrer Gegenwart, er hatte das Gefühl, dass er mit Jenny über alles reden könnte. Und er war zuversichtlich, dass sie irgendwann auch zu ihm Vertrauen fassen würde.
    Er sah wieder ihr Gesicht vor sich. Die roten Haare, die grünen Augen. Klug war sie, humorvoll, energisch und kochen konnte sie auch! Außerdem so geheimnisvoll. Wie viele Fragen sie geschickt umging! Mit welcher Coolness sie Gustav angelogen hatte! Lovis war sich aber sicher, dass sie ihn nicht anlog. Er drehte den Kopf gegen die Wand. Genau auf der anderen Seite stand Jennys Bett. »Schlaf gut, Jenny«, flüsterte er und drückte seine Hand an die Wand. Er stellte sich vor, dass Jenny auf der anderen Seite vielleicht das Gleiche tat. Ihre Hand, Finger für Finger an die seine schmiegte. Die Wand konnte sie nicht trennen. Sie waren miteinander verbunden, auf ewig verbunden. Er wusste es.

Donnerstag, 14. Juni
    Keine Züge. Nicht der Fünf-Uhr-Zug, nicht der um 6 Uhr 23. Stattdessen Vogelgezwitscher von draußen, Sonnenstreifen auf dem Fußboden und das hastige Hecheln von Rintintin im Ohr. Das schlug er immer an, wenn er rausmusste. Jenny tauchte aus einem traumlosen Schlaf auf und wusste im ersten Augenblick gar nicht, wo sie war. Als ihre Hand über das Laken strich, fiel es ihr ein. Das frisch bezogene Bett, die Wohnung im Blumental. Sie war tatsächlich eingeschlafen, obwohl sie doch noch in der Nacht klammheimlich die Biege machen wollte. Bestimmt war die weiße Bettwäsche daran schuld. Mit einem Schlaf fördernden Weichspüler parfümiert oder so was. Vorsichtig lugte sie aus dem Zimmer. Alle Türen

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