8 Tage im Juni
dem Kerl vom Wald â¦Â«
»Das glaube ich jetzt nicht«, unterbrach sie ihn wieder und trommelte mit beiden Fäusten auf seine Brust. »Für wen hältst du mich? Für eine Plaudertasche? Für eine, die mit jedem über alles quatschen muss? Das Waldschwimmbad! Das war einfach unglaublich, du hast mich so was von durcheinander und glücklich und alles gemacht â¦Â«
Lovis griff mit der Hand nach ihren kleinen Fäusten und legte den Arm um ihre Schultern. Jetzt lieà sie sich zu ihm heranziehen. Vielleicht hatte sie genug Dampf abgelassen, vielleicht fehlten ihr vor Erschöpfung einfach die Worte. Egal. Er hörte ihr Herz schlagen, schnell, heftig, lebendig, und fühlte sich so was von in den Himmel gehoben â¦
»Toni ist kein schlechter Mensch.«
Jenny sah ihn nicht an, sie sagte den Satz mehr oder weniger zu seiner Brust, an der ihr Kopf lehnte.
»Er war sturzbesoffen an dem Abend, hat sich falsche Freunde gesucht. Und die Schlägerei tut ihm verdammt leid, die würde er am liebsten rückgängig machen â¦Â«
Lovis lieà Jenny los. Es wunderte ihn, dass sie wieder auf diesen Typen zu sprechen kam, und es ärgerte ihn, dass sie anfing, ihn zu verteidigen.
»Hast du mit ihm ü-über die Schlägerei gesprochen?«
»Wo denkst du hin?«
Ein ungläubiges Kopfschütteln, als hätte er von Tuten und Blasen keine Ahnung.
»WeiÃt du, Toni ist so ein LeichtfuÃ, so einer, der sich durchmogelt. Ein Windhund halt, einer, der immer einen Zipfel von der Wurst zu schnappen kriegt. Nach dem Motto legal, illegal, scheiÃegal. Aber er ist auch charmant und groÃzügig â¦Â«
Charmant und groÃzügig? Der Typ, der ihm die Fresse poliert hatte? Gehtâs noch? »Hast du was mit dem?« Jetzt war seine Stimme so hart und aggressiv wie ihre vorhin.
Jenny knallte ihm eine. »Dass du so was überhaupt denkst!«
Er packte nach ihrem Handgelenk, würde nicht zulassen, dass sie ein zweites Mal zuschlug. »Wieso verteidigst du den Kerl dann? Schuldest du dem was? Hat der was gegen dich i-in der Hand?«
Jenny schnaubte, stampfte auf, tobte, wollte ihm wieder eine knallen, aber er hielt ihre Hand fest umklammert. Oh, sie lieà ihn deutlich spüren, dass sie ihn zur Hölle wünschte, dass sie ihn am liebsten in den Boden treten würde! Laut und deftig verfluchte sie ihn für seine Frage.
»Jenny, bitte! Du hast es selbst gesagt. Lass uns Tacheles reden!«
Er löste den Druck von ihrem Armgelenk. Sie entzog ihm ihre Hand, rieb sich den Gelenkknochen, lief wieder auf und ab, focht jetzt stumm innere Kämpfe aus.
»Er hat mir hundert Euro geliehen. Brauch ich für die Klassenfahrt, weil dieses lahmarschige Jobcenter nicht in der Lage ist, Anträge zügig zu bearbeiten. Kriegt er zurück, sowie die endlich bezahlt haben. Ich bleib keinem was schuldig.«
Lovis spürte, wie schwer es ihr fiel, darüber zu sprechen. Der Trotz in ihrer Stimme war nur schlecht versteckte Scham. Hundert Euro waren ein Problem für sie. Wovon lebten sie und ihre Familie eigentlich? Wie viel Geld verdiente ihre Mutter? Wieso konnte sie sich kein Geld bei der Bank leihen? Bezog die Mutter dieses Hartz IV? Und warum hatte ausgerechnet Toni Jenny das Geld gegeben? Das war die Frage, die ihn am meisten interessierte.
»Was will der Kerl dafür? Was musst du tun für den Hunderter?«
Sie sah ihn an, als hätte er sie ins Gesicht geschlagen. Er wollte schon zurückrudern, ihr sagen, dass sie nicht antworten musste, wenn sie nicht wollte. Aber das stimmte nicht. Er wollte wissen, was der Kerl für sein Geld verlangte. Egal, wie schmerzhaft dies für ihn sein würde.
»Er braucht ein Alibi«, flüsterte sie. »Für die Nacht am Friesenplatz. Ein schlechter Witz, oder? Ein verdammt schlechter Witz! Ausgerechnet von mir, die ich gesehen habe, wie er dich zusammengeschlagen hat, will er ein Alibi.«
Ein Schlag in die Magengrube. Lovis wurde schwindelig. Was taten sich hier für Abgründe auf?
»Keine Sorge.«
Sie klopfte ihm grob auf die Schultern und sah ihn mit so einem Mach-dir-nicht-ins-Hemd-Blick an.
»Das kriegt er nicht. Spätestens Montag ist das Geld vom Jobcenter auf dem Konto meiner Mutter. Dann bin ich raus aus der Nummer.«
»Das Geld hättest du von mir kriegen können. Mein Vater hätte dir gerne was â¦Â«, stammelte
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