80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
hatte an diesem Abend schon so vieles gemacht, dessen ich mich vielleicht am Morgen schämen würde, da kam es auf Sex mit einem weiteren Mann nicht mehr an – es war fast so, als würde man auch noch den letzten Keks aus einer Packung verputzen.
Schon auf dem Weg ins Schlafzimmer küssten wir uns mit der Hingabe zweier Menschen, die ihre letzte gemeinsame Nacht vor sich haben. Er stieß mich aufs Bett, fasste unter mein Kleid und schob es ungestüm hoch. In seinen Augen glitzerte unverhohlene Lust. Als er sich zwischen meine Schenkel kniete, griff ich ihm mit beiden Händen ins dichte Haar und zog seinen Kopf hoch.
»Nein, bitte. Ich will nur mit dir vögeln.«
Simón gehorchte nur zu gern. Ich brauchte keine Art von Vorspiel, und ich wollte nicht, dass er die Gerüche wahrnahm, die noch immer an meiner Haut haften mussten: die Ausdünstungen all dieser Menschen, des Gleitmittels, den penetranten chemischen Geruch, den Kondome stets hinterlassen. Simón war schwerer als Dominik. Es war angenehm, das Gewicht seines Körpers auf mir zu spüren. Sein Haar fiel ihm über das Gesicht. Ich sog seinen Duft ein und griff mit beiden Händen in seine dunklen Locken. Die Beine um seine Taille geschlungen, klammerte ich mich an ihn, während er sich in mich grub. Mit jedem Stoß, so meine Hoffnung, vertrieb er ein Stück mehr das Gefühl, das diese anderen Männer in mir hinterlassen hatten. Am meisten wünschte ich, die Erinnerung an Victor loszuwerden. Er hatte mich zwar kaum berührt, trotzdem hatte ich von seinem Rasierwasser noch einen derart hartnäckigen Geruch in der Nase, dass sich mir noch immer fast der Magen umdrehte.
Nach wenigen Minuten war es vorbei. Simón war müde, und er hatte schon lange auf der Treppe auf mich gewartet. Zumindest entschuldigte er sich nicht. Womöglich dachte er, es würde doch nicht das letzte Mal gewesen sein.
»Wirst du mir je erzählen, was zwischen euch vorgefallen ist?«, fragte er, als wir nebeneinanderlagen, er mich in die Arme nahm und an sich zog, als wollte er mich nie mehr loslassen.
Mein Schweigen dröhnte durch den Raum, als ob die Stille ihren ganz eigenen Lärm erzeugte.
»Vielleicht. Aber nicht heute.«
»Ich bin für dich da, wann immer du dazu bereit bist.«
Ich wartete, bis er eingeschlafen war, bevor ich aufstand und unter die Dusche ging. Ich wollte nicht, dass er meinte, ich fühlte mich schmutzig, weil ich mit ihm im Bett gewesen war. Das hatte er nicht verdient.
Ich war oft genug in seiner Wohnung gewesen, um mich hier wie zu Hause zu fühlen. Daher wusste ich, wo die frischen Handtücher lagen und dass es im Badezimmer einen großen Spiegel gab, in dem ich mich von oben bis unten betrachten konnte.
Der Abend hatte kaum Spuren hinterlassen. Dabei glaubte ich, von meinen furchtbaren Sünden total befleckt zu sein. Aber was erwartete ich da eigentlich? Einen scharlachroten Buchstaben, eingebrannt auf meinem Herzen? Da war nichts. Das Spiegelbild, das mir entgegenblickte, war so rein wie frisch gefallener Schnee, obwohl meine Genitalien rot und geschwollen sein mussten und wahrscheinlich Tage brauchten, um sich zu erholen.
Die Augen sind die Spiegel der Seele, sagt man. Ich hingegen glaube, wir könnten weit mehr über andere erfahren, wenn wir die Aufmerksamkeit auf tiefer gelegene Körperregionen richteten.
Ich stieg in die Dusche und stellte das Wasser so heiß ein, wie es nur möglich war. Mir aber wurde es gar nicht heiß genug.
Keine Dusche der Welt konnte meine Gefühle fortspülen.
Dominik wusste, dass dieser Abend alles zwischen ihm und Summer verändert hatte, und zwar für immer.
Es ging jetzt nicht um Schuldzuweisungen. Sie alle trugen die Verantwortung an dem unglückseligen Verlauf der Ereignisse: Victor, Summer und er selbst, jeweils zu gleichen Teilen.
Was hier zerbrochen war, ließ sich mit Worten nicht mehr kitten.
Eingefädelt worden war es von Victor, diesem hinterhältigen Strippenzieher, der Summer und Dominik benutzt und auf niederträchtigste Weise manipuliert hatte. Aus schierer Grausamkeit? Zur Befriedigung seiner Eitelkeit? Oder vielleicht bloß aus Bosheit, wie sie in einem Kind aufkeimt, das eine schöne Sandburg sieht und gar nicht anders kann, als sie zu zertrampeln und Ordnung in Chaos zu verwandeln?
Als Dominik die Gelegenheit gehabt hatte, waren ihm nicht die richtigen Worte eingefallen, auch hatte er nicht die nötige Großzügigkeit aufgebracht, zu verzeihen und zu verstehen. In seinem aberwitzigen Bedürfnis, das
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