80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

Trommelstöcken bearbeitete.
    Meine Fotos bildeten den Abschluss des Rundgangs. Alle hatten unten am Rahmen einen kleinen weißen Aufkleber, der »verkauft« bedeutete. Viggo hatte demnach wirklich die komplette Serie erworben. Von all den anderen Fotos unterschieden sie sich hauptsächlich dadurch, dass ich als Einzige darauf nicht zu erkennen war. Sie zeigten nur meinen Körper, niemals das Gesicht. Da ich außerdem verlangt hatte, mein leicht wiederzuerkennendes rotes Haar dürfe nicht zu sehen sein, war mein Kopf völlig ausgeblendet.
    Dennoch war es Grayson gelungen, die Posen meines Körpers sinnlich und erotisch wirken zu lassen – durch die Art und Weise, wie sich meine Hände um den Hals der Geige schlangen oder wie sich die Kurven des Instruments an meine Haut schmiegten.
    Den größten Effekt hatte ein Bild, auf dem ich leicht zurückgelehnt und mit weit gespreizten Beinen dasaß und die Geige knapp über mein Geschlecht hielt, so als hätte ich sie gerade geboren. Meine Arme waren absolut gestreckt, meine Finger umklammerten die Geige, und es sah aus, als würde ich eine Waffe schwingen – ob ich mich mit ihr selbst verletzen oder sie als Schutzschild vor mich halten wollte, blieb offen. Auf einem anderen lag ich auf der Seite und umschlang die Geige, als schmiegte ich mich an einen Liebhaber. Mein Körper war vollkommen entspannt, bis auf meine Füße, die ich durchbog wie eine Ballerina, als wollte ich, trotz meiner liegenden Position, jeden Augenblick die Flucht ergreifen.
    Eigentlich hatte ich erwartet, dass mich der Besuch der Galerie inmitten so vieler Menschen antörnen würde. Niemand wusste, wer ich war, niemand ahnte, dass ich wie ein ganz gewöhnlicher Gast unter ihnen stand, während sie meine intimsten Körperstellen betrachteten. Stattdessen aber fand ich es beunruhigend. Ohne Kopf war ich auf den Körper reduziert, auf Sex allein, ohne Herz und Verstand. Und ich begriff, aus welchem Grund Grayson diese Fotos am Ende seiner Ausstellung platziert hatte. Sie waren eindeutiger und drastischer, auch wenn sie im Gegensatz zu den anderen weniger zeigten. Denn sie waren die einzigen ohne Augen, ohne Gesichtsausdruck und ohne Gefühle wie Liebe, Zuneigung oder menschliche Verbundenheit.
    Ich begann zu zittern. So unglücklich hatte ich mich selten gefühlt.
    Viggo drehte mich zu sich herum und musterte mich.
    »Hey, was ist mit dir los, Süße?«
    Ich konnte nicht antworten. Was hätte ich auch sagen sollen? Außerdem schluchzte ich jetzt so heftig, dass ich wohl kaum noch etwas Vernünftiges herausgebracht hätte.
    »Schschsch …« Er nahm mich in die Arme. »Komm, wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen, und dann erzählst du mir alles.«

12
    EINE ZEICHNUNG VON DEGAS
    Kaum hatte Dominik die Haustür hinter sich geschlossen, wandte er sich mit zitternden Händen der Alarmanlage zu und tippte den Code ein. Zuvor hatte er geschlagene fünf Minuten geklingelt und abgewartet, ob ihm jemand aufmachte. Summer hatte ihm zwar versichert, dass niemand zu Hause sein werde, aber da das Eindringen in die Wohnungen anderer Leute nicht gerade zu seinen Alltagsbeschäftigungen gehörte, war er natürlich nervös und ging lieber auf Nummer sicher.
    Die Nachschlüssel, die Summer hatte anfertigen lassen, hatten die Tür problemlos geöffnet. Es war fast schon zu einfach gewesen.
    3313 RPM .
    Kaum hatte er die Zahlen und Buchstaben eingetippt, wechselte die Farbe der kleinen LCD -Anzeige von Rot auf Grün.
    Dominik lächelte in sich hinein. Viggo Franck, ein Musiker im Zeitalter von CD und MP 3, leistete sich den Spleen, für das Passwort seiner Alarmanlage die Umdrehungszahl alter Vinyl- LP s zu wählen. 33 ⅓ Rounds Per Minute, 33 ⅓ Umdrehungen pro Minute. Fast schon ein Scherz, der den meisten sicher entgangen wäre, aber auf jeden Fall origineller als ein Geburtstag oder ein bekanntes historisches Datum, wie es die meisten Leute für solche Zwecke verwendeten.
    Das große Haus war vollkommen still. Nur die Klimaanlage rauschte leise und schickte einen Luftzug aus, der wie auf Kreppsohlen durch die leeren Räume schlich.
    Er fand die Wendeltreppe, die Summer ihm beschrieben hatte, und ging vorsichtig die Stufen ins Kellergeschoss der Villa hinab.
    Dort gelangte er in die geräumige Galerie mit den Skulpturen und Installationen in der Mitte. In der weißen Decke waren wie in einem Museum zahlreiche Strahler eingelassen, alle sorgfältig auf ein bestimmtes Gemälde, einen Stich oder eine Plastik ausgerichtet,