80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
um sie unabhängig vom Blickwinkel des Betrachters ins rechte Licht zu rücken. Klare Sichtachsen verbanden die vielgestaltigen und teils farbenfrohen Skulpturen, und die Bilder an den Wänden hingen alle auf derselben Höhe. Es war ein Ballett aus Schattierungen und Kompositionen. Dominik sah Drucke von Warhol und einige erotische Skizzen mit Stieren und unbekleideten Nymphen, die unverkennbar von Picassos Hand stammten. Es gab auch Bilder im eher klassischen Stil: junge Balletttänzerinnen im Stil von Degas, Blumenlandschaften à la van Gogh, abstrakte geometrische Formen moderner Maler, die vor Dominiks Auge wenig Gnade fanden, und noch vieles mehr. Es war eine Wunderkammer voll unschätzbarer Werte.
Er hätte hier Stunden verbringen und sich an der Schönheit mancher Stücke aus Viggos Sammlung weiden können, aber dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Anlass. Er verließ den Raum, ging noch eine Treppe tiefer in den Keller der Villa hinab und kam zu dem Schwimmbecken mit der niedrigen Decke, das Summer ihm beschrieben hatte.
Der blau schimmernde, reglose Wasserspiegel fesselte seine Aufmerksamkeit. Dominik konnte nicht umhin, sich einen Augenblick Summer in ihrer blassen, nackten Schönheit vorzustellen, wie sie in diesem schmalen, gewundenen Pool, der sich wie ein Fluss durch den Raum schlängelte, ihre Bahnen zog. Er sah vor seinem geistigen Auge, wie ihre Beine sich knapp unter der Wasseroberfläche grätschten und schlossen, während ihre wilde Haarmähne auf dem Wasser schwamm und es mit ihrer tiefroten Farbe zum Leben erweckte.
Natürlich kam ihm auch Luba mit ihrem perfekt gemeißelten Körper in den Sinn, und er stellte sich vor, wie sie sich als Meerjungfrau vor dem künstlichen Wasserfall auf dem Hügel aus glatten, nassen, grauen Steinen rekelte. Wenn dieser Raum erzählen könnte …
Dominik riss sich von seinen Traumbildern los und suchte in der dunkleren Ecke des Raums nach einer Vitrine, in der Viggo viele seiner Musikinstrumente ausgestellt haben sollte. Er entdeckte sie hinter einer Sammlung kleinerer Skulpturen und Objekte, aus Holz geschnitzter Frauengestalten und Fabelwesen: eine große, in der Wand verankerte Stahlkonstruktion mit Glastüren, die die Hälfte der Schmalseite des Raums einnahm. Von seinem Standort aus hatte Dominik einen guten Einblick. Auf den Regalböden lagen dicht an dicht verschiedenste Instrumente. Traurig ruhten sie da, seit Jahren nicht berührt, geschweige denn gespielt.
Auf einer Seite befand sich eine ganze Reihe elektrischer Gitarren, einige schlank und so glänzend, dass sich die Lichtreflexe des Wassers in ihnen spiegelten, andere matt und solide, und dahinter eine Reihe aufgestellt wie Soldaten in Habtachtstellung. Unterhalb der E-Gitarren standen mehrere Akkordeons und daneben verschiedene Blasinstrumente, einige Trompeten, eine Posaune und ein Saxofon, das meiste davon in beklagenswertem Zustand mit verbeultem und fleckigem Messing. Sie wirkten wie Überlebende eines Schiffsunglücks. Daneben befanden sich zwei Regalböden mit Geigen.
Dominik wich den feuchten Rändern des Pools aus und ging näher an die Vitrine heran.
Nur vier Geigen lagen dort, und er schaute jede prüfend an. Die Bailly war nicht dabei. Es waren zweifellos schöne Instrumente, alle mit einer wunderbaren Patina, kostbare Stücke, deren Holz zwischen Braun und Orange changierte, manche stark gemasert, andere ebenmäßig. Abgesehen von der Bailly und den Geschichten, die sich um sie rankten, verstand Dominik nicht viel von alten Geigen, aber er sah mit einem Blick, dass es sich um erlesene Stücke von seltener Schönheit handelte. Die Instrumente wirkten zerbrechlich und zu kostbar, um noch gespielt zu werden, dennoch ahnte er, dass ihr Klang in den richtigen Händen perfekte Wärme und Reinheit ausstrahlen würde.
Die Vitrine war noch nicht einmal verschlossen, eine Tür stand leicht offen. Er war versucht, eine der kostbaren Geigen in die Hand zu nehmen, aber welchen Sinn hätte das gehabt? Er konnte ja nicht einmal spielen.
Allerlei Befürchtungen schossen ihm durch den Kopf. Hatte er sich etwa geirrt, und Viggo hatte gar nichts mit dem Verschwinden der Bailly zu tun? Da erinnerte er sich, dass Summer ihm von diesem Vitrinenschrank erzählt hatte: Wäre die Bailly dort gewesen, hätte sie sie mit Sicherheit wiedererkannt. Demnach musste ihr Instrument im Tresorraum sein. Hinter der Tür, die Luba erwähnt hatte. Wo Viggo angeblich seine Schallplattensammlung
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