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80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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ihrer Augen und die Eigenheiten ihrer Sprache und Bewegungen improvisierte, verwandelte sie sich in eine andere, um von einer dritten überlagert zu werden. So zerrann ihm jedes Konzept nach kurzer Zeit unter den Händen.
    Er fuhr den Computer herunter, ohne die halbe Seite abzuspeichern. Müde erhob er sich von seinem Schreibtisch.
    Ein Blick aus dem Fenster zeigte einen verhangenen Himmel, aber keinen Regen. Er beschloss, einen Spaziergang zu machen, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Hampstead Heath, der Park, der seinem Bezirk den Namen gegeben hatte, bot sich an.
    Da der Vormittag schon fortgeschritten war, sah man kaum noch Jogger, dafür umso mehr Leute mit Kinderwagen und Buggys und quäkenden Kleinkindern. Hinzu kamen die Rentner, die an den Teichen standen, den Enten zusahen und sie trotz der Verbotsschilder fütterten. Hinter dem zweiten Teich, in dem man im Sommer auch baden konnte, bog Dominik in einen Seitenweg ein und wanderte, in Tagträume versunken, zu der Brücke, die in den urwüchsigeren Teil des Parks führte.
    Das war es, was er an London so liebte, die unzähligen Möglichkeiten, in fast allen Vierteln nach nur wenigen Minuten Fußweg in ein tiefes Dickicht schattiger Bäume einzutauchen und überall den Trost von Grün und Natur zu finden. Mitten im Herzen des Großstadtdschungels boten diese Parks Ungestörtheit und Abgeschiedenheit, waren Orte voller Geheimnisse.
    Dominik schlug eine andere Richtung ein und entschied sich aus einem Impuls heraus für einen gewundenen, kaum erkennbaren Pfad, über dem sich ein so dichtes Blätterdach wölbte, dass der Himmel nicht zu sehen war. Eine Joggerin kam auf ihn zu, und er trat beiseite, um ihr Platz zu machen. Sie nickte ihm kurz dankend zu. Es war eine junge Frau in schwarzen Leggins, die unpassende grüne Satinshorts darübergezogen und ein dickes, dunkelgrünes Sweatshirt um die Taille geschlungen hatte. Ihr dunkelblondes Haar wurde von einem Gummiband zusammengehalten, und ihr Pferdeschwanz hüpfte in fröhlichem Einklang mit ihren in einem bauchfreien Oberteil wippenden Brüsten auf und ab. Als sie an ihm vorbeilief, hörte Dominik leise Musik aus ihren Kopfhörern dringen, die mit jedem Schritt, den sie sich entfernte, leiser wurde.
    Aus unerfindlichem Grund interessierte ihn plötzlich brennend, was sie sich anhörte. Es schien ihm wichtig.
    Er blieb stehen, setzte sich auf den Stamm eines gefällten Baums und versuchte eine Weile, das flüchtige Bild der wogenden Brüste der jungen Frau vor seinem inneren Auge festzuhalten.
    War sie eine Krankenschwester des nahe gelegenen Royal Free Hospital oder eine Studentin, eine Hausfrau, eine Bankerin, eine Verkäuferin, eine Büroangestellte? Es gab unendlich viele Möglichkeiten, und in seinem Kopf überschlugen sich die Bilder: »Halt! Ausziehen … Zeig dich mir! …« Er befahl ihr nicht nur, sich zu entkleiden, sondern sie musste ihm auch enthüllen, was unter ihrer Haut lag, was in ihrem Kopf vor sich ging … Wie er es einmal bei Summer versucht hatte. Verrückt. Rasch schob er diese Gedanken beiseite.
    Er zuckte die Achseln, erhob sich und setzte seinen Weg fort. Doch er musste auch weiterhin an Summer denken. Wie verschlossen sie sich gezeigt hatte, als sie sich zum ersten Mal trafen. Sein Angebot, und wie sie dann hier im Park ganz allein für ihn gespielt hatte. Das Feuer und die Leidenschaft, die sie erfassten, wenn sie ihre Geige hielt. Und dann ihre Melodien, die durch den Park schwebten.
    Der Musikpavillon. Er sollte wieder einmal zum Pavillon gehen. Das Bild, wie Summer dort für ihn spielte, war tief in sein Gedächtnis eingebrannt, er bekam es nicht aus dem Kopf: die Landschaft, die Farbe der Wiese und des Himmels darüber, den Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie sich in der Musik verlor. Summer im Pavillon, sein verlorenes Meisterstück.
    Als Dominik seinen Weg durch das Wäldchen fortsetzte, sah er zwischen den Stämmen in der Ferne etwas Buntes schimmern. Bewegungen. Gestalten hinter den lichter werdenden Bäumen. Behutsam ging er näher und achtete darauf, dass seine Jacke sich nicht in den Zweigen der Büsche verfing, bis er schließlich auf eine Lichtung kam. Kinder rannten umher, Fahrräder sausten über die Pfade. Und dahinter erhob sich der Pavillon.
    Als er über den kleinen Hügel auf das Bauwerk aus Stein und Eisen zustrebte, fielen die ersten Tropfen. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Unter dem Dach des Pavillons sammelte sich eine bunte Schar von Kindermädchen

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