80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
ich rasch in die Stadt, ein paar Studiotermine absagen und klären, ob die Burschen im Quartett eine Weile ohne mich auskommen. Da wir in den nächsten Wochen keine Auftritte haben, müsste es gehen.«
»Wir alle werden sehnsüchtig auf deine Rückkehr warten«, sagte Dominik und fragte sich bereits, wie es wohl sein würde, wieder allein zu wohnen.
Es war keine Aussicht, auf die er sich freute.
5
EIN HERBER SCHLAG
Es kam mir so vor, als wüsste jeder hier im Raum – Viggo, Fran, Chris –, was damals in New Orleans geschehen war. Luba vermied es, mich anzusehen, und tanzte weiter. Sie ließ ihre Bewegungen lasziv ausklingen, und als sie schließlich ganz still stand, erlosch der Scheinwerfer. Der Springbrunnen und die Tänzerin waren in Dunkelheit getaucht.
»Wow«, sagte Fran. »Vielleicht bin ich doch nicht so hetero, wie ich dachte. Das war verdammt heiß.«
Ich wartete auf Viggos Kommentar. Vielleicht würde er mich ja sogar auffordern, Lubas Beispiel mit einer eigenen Darbietung zu folgen. Doch er hatte uns den Rücken zugekehrt und mixte an der ausladenden Bar, die fast die gesamte Längswand des Raums einnahm, raffinierte Cocktails.
»Chris?«, fragte ich. »Weißt du, wo meine Geige ist? Hat die Crew sie mitgenommen?«
»Ja, ich glaube, einer der Roadies hat sie hinten im Transporter verstaut. Mach dir keine Sorgen. Die Jungs gehen mit den Instrumenten sorgsamer um als mit Babys. Du wirst sie bei unserem Equipment im Studio finden.«
»Ich fühle mich ganz komisch, wenn ich sie nicht bei mir habe. Als wäre ich nackt. Oder als würde ich Schuhe ohne Strümpfe tragen.«
»Gerade wollte ich dir vorwerfen, dass du melodramatisch bist, da kommst du mit so einem banalen Beispiel«, amüsierte sich Chris.
»Das auch noch völlig überflüssig war.«
Ohne meine Bailly fühlte ich mich allmählich ein bisschen einsam. Die E-Geige, die ich auf der Bühne gespielt hatte, hatte sich etwas spröde angehört und war mit meinem Instrument nun wirklich nicht zu vergleichen. Ihr Sound klang fast schon metallisch, ohne jede Wärme. Vielleicht sollte ich Susan anrufen und sie bitten, mir einige Konzerte in London zu organisieren. Ich konnte mich schließlich nicht ewig bedeckt halten.
»Du solltest die Geige mitbringen, weil wir sie beim Auftritt hervorzaubern und dir zum Spielen geben wollten. Aber das war eine dumme Idee. Sie wäre in dem Soundmix völlig untergegangen, deshalb haben wir dir die elektrische besorgt. Und du warst wirklich klasse! Du solltest häufiger mit uns spielen.«
»Dann hätte ich wenigstens etwas zu tun.«
Ich warf einen Blick zu Fran, die sich auf einer schwarzen Chaiselongue mit Klauenfüßen und einer Armlehne in Form eines Pantherkopfs ausgestreckt hatte und mit Dagur, dem Drummer der Holy Criminals, der ihr gegenüberhockte, ins Gespräch vertieft war. Er war bei den weiblichen Fans nicht ganz so beliebt wie Viggo, schien meine Schwester aber mit seiner Weltläufigkeit und seinem durchdringenden Blick bezirzt zu haben.
Chris seufzte. Mir war schon aufgefallen, dass er sich für Fran interessierte; es hatte bereits bei ihm gefunkt, als ich sie einander vorstellte. Allerdings wusste ich nicht, ob ich das gut finden sollte. Mein bester Freund und meine Schwester?
»Kopf hoch«, munterte ich ihn auf. »Schließlich ist da noch Luba.«
»Luba?«, fragte er verdutzt.
»Die Tänzerin«, erklärte ich beiläufig, denn mir war mein Fehler sofort bewusst geworden.
»Woher weißt du, wie sie heißt?«
Ich tat, als wäre nichts gewesen, insgeheim aber schalt ich mich, dass mir ihr Name herausgerutscht war.
In diesem Augenblick erschien die Besagte wie von Zauberhand in der Tür hinter uns.
»Wir sind uns mal in New York über den Weg gelaufen«, erklärte sie Chris mit sanfter, beruhigender Stimme, als wollte sie ihn in den Schlaf lullen. Mit ihrem Akzent klang sie wie ein schnurrendes Kätzchen. »Ich war bei einem ihrer Konzerte.« Sie schenkte mir ein warmes Lächeln. »Jetzt bin ich sehr geschmeichelt, dass du dich an mich erinnerst. Besonders in dieser ganz anderen Aufmachung.«
Sie hatte sich ein fließendes schwarzes Gewand übergeworfen, dessen Stoff so dünn war, dass sie genauso gut hätte nackt bleiben können. Halb angezogen wirkte sie noch erotischer, da das Kleid die zarten Rundungen ihrer Brüste und Hüften noch betonte. Ihre ungewöhnliche Anmut erinnerte an einen Schwan. Sie setzte sich neben mich auf die Couch und schlug die Beine übereinander. Ihr Haar war so
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