80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
unmissverständlichen Andeutungen, die aber immer mit einer Spur Humor und Ironie gewürzt waren. Alles in allem machte sie ihn neugierig.
So ging es einige Wochen online über Direktnachrichten und E-Mails hin und her, und Dominik freundete sich schon mit der Vorstellung an, ein Abenteuer zu wagen. Was er suchte, war nicht so sehr die Liebe seines Lebens, sondern einfach nur eine Frau, die ihm half, seine quälenden Erinnerungen an Summer zu bannen.
Hast du vielleicht auch ein Foto von dir?
Er hatte kein Bild von sich auf dem Schutzumschlag seines Buchs haben wollen, und auch auf Facebook gab er kaum et was von sich preis. Er pflegte sein Image geheimnisvoller Anonymität.
Vielleicht war dies der Augenblick, in dem er sie verlieren würde. Dominik hatte sich nie gern fotografieren lassen, und so gab es nur ganz wenige Fotos von ihm.
Er entschied sich für eines dieser seltenen Bilder, eine Aufnahme, die er seinerzeit für seine Bewerbung um das Stipendium in New York hatte machen lassen, und klickte auf Senden.
Die Chancen standen fünfzig zu fünfzig, dass sie den Kontakt zu ihm abbrach, weil er aus irgendeinem Grund, den er natürlich nie erfahren würde, nicht den Vorstellungen entsprach, die sie sich von ihm als Mann gemacht hatte.
Er wartete. Seine Finger schwebten über der Tastatur, seine Augen waren auf das Bild ihrer malträtierten Arschbacke geheftet, das er auf das Format des gesamten Bildschirms vergrößert hatte. Gedankenverloren suchte er ein Muster in den zart ineinanderverlaufenden gelben, braunen und purpurnen Flecken ihrer Blutergüsse. Inzwischen erschien es ihm wie ein modernes Gemälde. Geheimnisvoll, wie durch Zufall entstanden. Wie eine unscharfe Wolke, die ihre Form änderte. Ein Bildschirmschoner.
Da kam die Antwort.
Süß! Willst du Herr genannt werden?
Du schmeichelst mir. »Herr« ist nicht nötig. Diese Art von Dom bin ich nicht … Mir geht es nicht um Worte.
Gut. Ich finde es albern, wenn ein Mann schon nach ein paar Zeilen so genannt werden will, bevor man sich überhaupt gesehen hat.
Ein Mädchen ganz nach meinem Geschmack …
Vielleicht ist das der Beginn einer wundervollen Freundschaft.
Dominik lächelte.
Der Zug raste durch die South Downs, und als er sich der stählernen Kuppel des Bahnhofs von Brighton näherte, roch Dominik schon das Meer und hörte die Silbermöwen kreischen. Seit Ewigkeiten war er nicht mehr hier gewesen. Damals hatte eine Konferenz zum Vorwand gedient, weil Kathryn sich nur auf diese Weise von ihrem ehelichen Zuhause loseisen und ein paar Nächte mit ihm verbringen konnte. Vielleicht war er deshalb nie mehr hierher zurückgekehrt. All die Erinnerungen. Nicht, dass sie viel von Brighton gesehen hätten – abgesehen von einigen Strandspaziergängen, einem kleinen Einkaufsbummel und hastigen Mahlzeiten in Fischrestaurants waren sie kaum aus dem Bett gekommen.
Die Stadt beherbergte gerade wieder eine große Konferenz, und die meisten Hotels waren ausgebucht, aber es war ihm gelungen, ein Zimmer im Pelirocco am Regency Square zu ergattern. Jedes Zimmer war individuell gestaltet. Seines glich einem schwülstigen Boudoir, hauptsächlich in Rosa und Rot und mit Damenunterwäsche in allen Formen, Größen und Spielarten als Wandschmuck. Ein wenig überladen und sicherlich nicht geschmackvoll, aber keineswegs unpassend für das, was ihn nach Brighton geführt hatte. Dominik musste schmunzeln.
Sie hatten verabredet, sich zunächst auf neutralem Terrain zu treffen, bei einem Imbiss am Eingang zum Pier, wo man Fish ’n’ Chips bekam. Auf seine Frage, woran er sie erkennen werde – auf ihren Fotos war das Gesicht nie richtig zu sehen gewesen –, hatte sie scherzhaft gemeint, das werde er schon sehen. Womit sie sich natürlich die Möglichkeit offenhielt, einen Rückzieher zu machen, sollte ihr sein leibhaftiger Anblick nicht behagen.
Er war ein paar Minuten zu früh und überlegte gerade, ob er sich eine Portion Chips gönnen sollte, als ihn eine muntere Stimme ansprach.
»Hallo, Dominik!«
»Liana, nehme ich an?«
»Erwartest du sonst noch jemanden?«, erwiderte sie etwas spöttisch.
»Hast du auch einen richtigen Namen?«
»Liana.«
»Schön.«
Sie war zierlich und wirkte auf den ersten Blick fast mager, stand aber aufrecht vor ihm, trotz des übergroßen Rucksacks, der an ihren Schultern zerrte. Ein kastanienbrauner, fast knabenhafter Strubbelkopf krönte ihre zarte Gestalt. Um den Hals trug sie einen dünnen seidenen Choker. Bei einer
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