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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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und mit denen jeder Besitzer etwas von seiner Geschichte, seiner Liebe, seinem Schmerz und seiner Versponnenheit in ihrem Holzkorpus hinterlassen hatte – Gefühle, die ich mit meinem Bogen herauskitzeln konnte.
    Diese Geige war mit mir quer durch Neuseeland und dann um die ganze Welt gereist. Zugegeben, sie war schon ziemlich hinüber gewesen; an zwei Stellen hatte ich sie mit Klebeband flicken müssen, nachdem sie letztes Jahr auf der langen Reise nach London zwei Stöße abbekommen hatte; aber ihr Klang war davon unbeeinträchtigt geblieben, und sie hatte sich in meinem Arm genau richtig angefühlt. Gleichwertigen Ersatz aufzutreiben, schien mir unmöglich. So oft mich Darren auch ermahnt hatte, war ich doch nie dazu gekommen, sie versichern zu lassen. Ein neues Instrument, das etwas taugte, konnte ich mir schlichtweg nicht leisten, auch ein vernünftiges gebrauchtes war nicht drin. Die Trödler nach einem Schnäppchen abzuklappern, konnte Wochen dauern, und eBay kam nicht infrage, denn ich würde es nicht über mich bringen, eine Violine zu ersteigern, ohne zu wissen, wie sie im Arm lag und wie sie klang.
    Ich fühlte mich wie eine Pennerin, als ich mit der kaputten Geige in der Hand in der U-Bahn-Station herumstreifte und die verstreuten Münzen einsammelte. Einer der Bahnangestellten wollte für seinen Bericht wissen, was passiert sei, und war offensichtlich enttäuscht, dass ich ihm nur so wenige Informationen liefern konnte.
    »Keine große Beobachtungsgabe, was?«, spöttelte er.
    »Nein«, erwiderte ich und starrte auf die fleischigen Finger, mit denen er sein Notizbuch durchblätterte. Sie waren bleich und gedrungen und erinnerten an das, was man enttäuscht bei einem Partybuffet mit Cocktailspießen auf einer Platte liegen sieht. Diese Hände spielten weder ein Instrument, noch waren sie dazu geschaffen, in eine Auseinandersetzung einzugreifen.
    Um die Wahrheit zu sagen, ich hasse Fußball, aber das würde ich in Gegenwart von Engländern niemals zugeben. Mir sind Fußballspieler im Großen und Ganzen auch zu hübsch. Beim Rugby kann ich wenigstens den Sportaspekt ausblenden und mich auf die muskulösen, stämmigen Oberschenkel der Stürmer und ihre knappen Shorts konzentrieren, die sich gerne mal hochschieben und dabei wunderschön feste Arschbacken zu enthüllen drohen. Ich selbst treibe keinen Mannschaftssport, sondern gehe nur ab und zu schwimmen oder laufen, dazu ein bisschen Krafttraining im Fitness-Center, um meine Arme für die langen Phasen in Form zu bringen, in denen ich ein Instrument halte.
    Endlich hatte ich mein Geld eingesammelt. Ich verstaute die zerbrochene Geige im Kasten und machte mich unter den argwöhnischen Blicken der U-Bahn-Mitarbeiter davon.
    Mehr als zehn Pfund in Münzen waren es nicht, die mir die Pendler im Vorbeigehen in den Kasten geworfen hatten, bevor diese Rüpel meine Violine zerbrachen. Inzwischen war es schon einen Monat her, seit der geheimnisvolle Passant mir den Fünfziger zugesteckt hatte. Der Geldschein lag immer noch gut versteckt in der Schublade zwischen meiner Unterwäsche, obwohl ich es weiß Gott dringend nötig gehabt hätte, ihn auszugeben. Unterdessen kellnerte ich zwar noch mehr Stunden in einem Restaurant, hatte aber seit Wochen keinen bezahlten Gig mehr gehabt. Und obwohl ich mich, wenn ich nicht in dem Lokal aß, nur von Fertignudelgerichten ernährte, würde ich meine Ersparnisse angreifen müssen, um die Miete vom letzten Monat bezahlen zu können.
    Nach unserem Streit wegen der Vivaldi- CD hatte ich Darren nur ein einziges Mal wiedergesehen und ihm, wahrscheinlich ziemlich verkrampft, erklärt, dass es mir nicht sonderlich gut gehe und ich eine Beziehungspause bräuchte, um mich auf meine Musik zu konzentrieren.
    »Du machst wegen einer Geige mit mir Schluss?«
    Darren schaute ungläubig. Er war wohlhabend, sah gut aus und war im richtigen Alter, um Vater zu werden; noch nie hatte eine Frau mit ihm Schluss gemacht.
    »Ich will nur mal ein bisschen für mich sein.«
    Dabei starrte ich auf das glänzende Edelstahlbein eines seiner Designer-Barhocker. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen.
    »Niemand will einfach nur für sich sein, Summer. Hast du was mit einem anderen? Mit Chris? Dem Typen von der Band?«
    Er nahm meine Hand. »Himmel, ist die kalt«, sagte er.
    Ich schaute auf meine Finger. Meine Hände mag ich ganz besonders. Ich habe blasse, lange und sehr schmale Finger; Klavierspielerhände, wie meine Mutter immer sagt.
    In einer

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