80 Days - Die Farbe der Lust
Gerangel, dann Charlottes Stimme.
»Summer, Süße!«, rief sie. »Seit Ewigkeiten nichts mehr von dir gehört!«
Wieder Gerangel, dann im Hörer ein leises Stöhnen.
»Charlotte? Bist du noch dran?«
Wieder Stöhnen. Wieder Gerangel.
»Bitte, bleib dran«, sagte sie. »Es dauert nur eine Minute.« Das dumpfe Geräusch einer Hand, die den Hörer zuhielt, im Hintergrund tiefes, kehliges Männerlachen. »Hör auf«, flüsterte sie. »Summer ist eine Freundin.« Dann war sie wieder am Apparat. »Tut mir leid, meine Liebe. Jasper lässt mich einfach nicht in Ruhe. Wie geht es dir? Ist ja wirklich lange her!«
Ich stellte mir vor, wie die beiden zusammen im Bett lagen, und war ein bisschen neidisch. Außer Charlotte hatte ich noch keine andere Frau kennengelernt, deren sexueller Appetit ähnlich groß war wie meiner. Zudem ging sie ganz offen damit um, was ich nie geschafft habe. Sie sprühte vor lustvoller Lebendigkeit, energiegeladen wie die Luft nach einem Tropengewitter, dampfend vor Hitze und mit verschwenderischer Üppigkeit gesegnet.
Einmal hatten wir in Soho einen Vibrator gekauft, wenige Stunden ehe sie sich in dem Striplokal an der Chancery Lane vorstellte. Ich war ein bisschen verlegen und stand verklemmt daneben, während sie selbstbewusst Dildos aller Formen und Größen in die Hand nahm und sie an der weichen Haut auf der Innenseite ihres Handgelenks rieb, um herauszufinden, wie sie sich anfühlten.
Sie war sogar zu dem gelangweilt wirkenden Mann an der Theke gegangen, hatte ihn um Batterien gebeten und sie mit erfahrener Hand ins untere Ende von zwei ähnlichen, aber doch leicht unterschiedlichen Kunststoffpenissen mit Klitorisstimulator eingesetzt. Einer hatte einen schlichten Extrafinger, der andere zwei neckisch vibrierende Häschenohren, die die Klitoris umschließen sollten. Sie führte zuerst das eine, dann das andere pulsierende Sexspielzeug zart über ihren Arm, bevor sie sich an den Mann hinter der Theke wandte.
»Welcher bringt’s Ihrer Meinung nach mehr?«, fragte sie ihn.
Er starrte sie an wie eine Außerirdische. Mir war, als würde der Boden unter meinen Füßen nachgeben, und ich hoffte, die Erde würde sich auftun und mich verschlingen.
»Kei-ne Ah-nung.« Er machte nach jeder Silbe eine Pause, bloß für den Fall, dass sie ein bisschen begriffsstutzig war.
»Wieso nicht?«, hakte sie nach, ohne sich durch seinen unwirschen Ton abschrecken zu lassen. »Sie arbeiten doch hier.«
»Ich habe keine Möse.«
Charlotte zückte ihre Kreditkarte und kaufte beide, da sie meinte, als Stripperin bald genügend Geld zu verdienen, um die Abrechnung bezahlen zu können.
Nachdem wir den Laden verlassen hatten, blieb sie abrupt vor einem dieser raumschiffähnlichen Klohäuschen stehen, die sich per Knopfdruck öffnen und bei denen ich schon immer den Verdacht hatte, dass sie nicht allzu oft ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß genutzt werden.
»Es stört dich doch nicht, oder?«, sagte sie, ging hinein und hatte die Tür schon verriegelt, bevor ich überhaupt Gelegenheit hatte, auch nur irgendetwas zu sagen.
Ich stand draußen und errötete bis zu den Haarwurzeln bei der Vorstellung, dass sie in der Kabine mit bis zu den Kniekehlen heruntergezogenem Slip den Vibrator in ihre Möse steckte und dann den vibrierenden Extrafinger an ihren Kitzler hielt.
Knapp fünf Minuten später trat sie gut gelaunt aus der Toilette.
»Der einfache ist besser«, sagte sie. »Willst du mal probieren? Ich habe Kleenex und Reinigungstücher dabei. Und Gleitgel.«
»Nein, im Moment nicht, danke«, erwiderte ich und fragte mich, was die Leute auf der Straße wohl dächten, wenn sie uns hören könnten. Zu meiner eigenen Überraschung hatte es mich angemacht, mir vorzustellen, dass Charlotte in der Toilette masturbierte. Ich wollte es ihr ja nicht sagen, aber Gleitgel bräuchte ich im Moment sicher nicht.
»Wie du willst«, sagte sie heiter und steckte die Vibratoren in ihre Tasche.
Trotz der Trauer um meine zerbrochene Geige erregte es mich, mir vorzustellen, dass Charlotte, höchstwahrscheinlich nackt, am anderen Ende der Leitung unter Jaspers wohlgefälligem Blick lasziv ihre langen, gebräunten Beine ausstreckte.
»Mir geht’s gut«, log ich sie an und erzählte ihr dann, was mir in der U-Bahn-Station zugestoßen war.
»Oh, mein Gott, du Ärmste! Komm sofort her. Für dich schmeiße ich sogar Jasper aus dem Bett.«
Sie schickte mir eine SMS mit ihrer Adresse, und nach knapp einer Stunde saß ich in
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