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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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plötzlichen Anwandlung von Zuneigung wandte ich mich ihm zu, strich ihm durchs dichte Haar und zog ein bisschen an seinen Locken.
    »Autsch«, sagte er. »Lass das.«
    Dann beugte er sich vor und küsste mich. Seine Lippen waren trocken, die Berührung zärtlich. Er machte keine Anstalten, mich an sich zu ziehen. Sein Mund schmeckte nach Tee. Sofort fühlte ich mich krank.
    Ich schubste ihn weg und stand auf, um den Geigenkasten und meine Tasche zu nehmen, in die ich die wenige Unterwäsche, eine Zahnbürste und einige andere Dinge gepackt hatte, die ich in einer Schublade in seiner Wohnung aufbewahrt hatte.
    »Wie, du willst keinen Sex?«, fragte Darren spöttisch.
    »Ich fühle mich nicht wohl.«
    »Huch! Zum ersten Mal in ihrem Leben hat Miss Summer Zahova Migräne.«
    Die Hände in die Seiten gestemmt, stand er nun vor mir wie eine Mutter, die ihr bockiges Kind ausschimpft.
    Ich nahm die Tasche und den Geigenkasten, machte auf dem Absatz kehrt und ging. Ich trug, was er am wenigsten leiden konnte: knöchelhohe rote Converse-Treter, kurze Jeansshorts über einer blickdichten Strumpfhose, dazu ein T-Shirt mit aufgedrucktem Totenkopf. Als ich die Wohnungstür aufstieß, fühlte ich mich, als wäre mir eine Last von den Schultern gefallen. Ich war mit mir im Reinen wie schon seit Monaten nicht mehr.
    »Summer …« Er lief mir hinterher, packte mich am Arm, als ich gerade durch die Tür gehen wollte, und wirbelte mich herum, sodass ich ihm ins Gesicht sehen musste. »Ich ruf dich an, okay?«, sagte er.
    »Gut.« Ich schaute mich nicht mehr um, aber er sah mir sicher nach. Seine Tür fiel ins Schloss, kaum dass ich den nächsten Treppenabsatz erreicht hatte und endgültig aus seinem Blickfeld verschwand.
    Seither rief er regelmäßig an, zuerst jeden Abend und dann, da ich all seine Nachrichten ignorierte, nur noch zwei- bis dreimal pro Woche. Zweimal hatte er mich betrunken nachts um drei angerufen und mir irgendwas auf den Anrufbeantworter gelallt.
    »Du fehlst mir, Babe.«
    Er hatte mich nie »Babe« genannt – er hatte sogar behauptet, dieses Wort zu hassen –, und nun fragte ich mich, ob ich ihn überhaupt je richtig gekannt hatte.
    Eines jedenfalls stand fest. Ich würde Darren jetzt nicht anrufen, obwohl ich wusste, dass er nur zu gern die Chance ergriffen hätte, mir eine neue Violine zu kaufen. Er hatte meine alte gehasst, weil er sie für eine klassische Geigerin zu schäbig fand. Ebenso hasste er es, dass ich Straßenmusik machte; er hielt es für unter meiner Würde; allerdings wusste ich, dass er vor allem um meine Sicherheit bangte. Zu Recht, wie er jetzt sagen würde.
    An der Kreuzung vor dem Bahnhof, wo der Verkehr an mir vorbeiraste und Fußgänger sich ihren Weg in alle Richtungen bahnten, überlegte ich, wie es weitergehen sollte. Außer den Pärchen, mit denen Darren und ich zu Dinnerpartys und Vernissagen gegangen waren, hatte ich nicht gerade viele Freunde in London. Und so nett diese Leute auch waren, so waren sie doch seine Freunde und nicht meine. Selbst wenn ich einen von ihnen hätte kontaktieren wollen – ich hatte ihre Telefonnummern nicht. Darren hatte unser gesellschaftliches Leben organisiert, ich war nur mitgetrottet. Ich nahm mein Handy heraus und ging mein Adressbuch durch. Sollte ich Chris anrufen? Er war Musiker, er würde mich verstehen und wäre sauer, wenn er später erfahren sollte, dass ich ihn nicht angerufen hatte. Doch ich konnte im Moment weder Verständnis noch Mitleid ertragen. Bloß kein Drama jetzt, das würde mir vollends den Rest geben.
    Charlotte. Die Stripperin.
    Ich hatte sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen und von ihr nur das gehört, was sie hin und wieder auf Facebook postete. Doch ich war mir sicher, dass Charlotte mich zumindest aufmuntern und von der Katastrophe mit der Geige ablenken konnte.
    Ich drückte auf »Anrufen«.
    Es klingelte. Ein Mann antwortete, noch schläfrig und mit erotischer Stimme, als wäre er gerade auf denkbar angenehmste Weise geweckt worden.
    »Hallo?«, meldete er sich.
    Ich spitzte die Ohren, um inmitten des Verkehrslärms etwas zu verstehen. »Entschuldigung«, sagte ich. »Ich glaube, ich habe mich verwählt. Ich wollte Charlotte sprechen.«
    »Oh, die ist da«, sagte der Mann. »Sie ist nur gerade beschäftigt.«
    »Kann ich mit ihr sprechen? Können Sie ihr sagen, dass Summer am Telefon ist?«
    »Ah … Summer. Charlotte spricht sicher gern mit Ihnen, aber sie hat gerade den Mund voll.«
    Ich hörte ein Kichern und

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