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80 Days - Die Farbe der Lust

80 Days - Die Farbe der Lust

Titel: 80 Days - Die Farbe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Jackson
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gebeten, den man mir in Anbetracht meiner unglücklichen Verwicklung in die Schlägerei an der Station auch verständnisvoll gewährte. So übte ich in jeder freien Minute auf der Bailly und spielte besser als je zuvor in meinem Leben. Die Musik strömte aus meinen Fingern, als wären die Melodien in mir eingeschlossen gewesen und Dominiks Geige der Schlüssel, der ihnen die Freiheit gab.
    Eine andere Sache war das Warten. Eigentlich bin ich ein geduldiger Mensch, eine Ausdauersportlerin eben, doch jetzt wollte ich genauer wissen, auf was ich mich da eingelassen hatte. Ich ging davon aus, dass man im Leben nichts geschenkt bekommt, Dominik also eine Gegenleistung für seine Ausgaben erwartete, und ehe ich nicht wusste, welche Bezahlung er im Sinn hatte, wollte ich die Geige lieber nicht als Geschenk ansehen, sondern nur als Leihgabe. Er hatte einen Kontrakt vorgeschlagen, eine Übereinkunft, die beide Seiten zufriedenstellen sollte, hatte jedoch nicht angeboten, die Rolle meines zahlenden väterlichen Liebhabers zu übernehmen. Das hätte ich auch rundheraus abgelehnt. Also, ehe ich nicht wusste, was ihm vorschwebte, konnte ich auch nicht sagen, ob ich es ihm geben wollte.
    So kurz nach Darren war ich nicht unbedingt scharf auf eine neue Beziehung. Lieber wollte ich noch eine Weile Single bleiben. Außerdem wirkte Dominik auf mich nicht wie ein Mann, der nach einer Freundin Ausschau hielt. Er gab sich unnahbar, ein einsamer Wolf, und sah nicht aus wie jemand, der verzweifelt auf Partnersuche ist. Ich grübelte noch einmal über seine allererste E-Mail nach. Vielleicht war er ein bisschen versponnen, wahrscheinlich mit einer riesigen, künstlerisch verbrämten Pornosammlung auf dem PC, aber niemand, der sich aufs Online-Dating verlegt hatte.
    Wenn er nicht mit mir anbandeln wollte, was war es dann?
    Ich betrachtete die Geige und strich über ihren anmutigen Hals. Das Instrument musste mehrere zehntausend Pfund gekostet haben.
    Wie könnte eine entsprechende Gegenleistung aussehen? Was würde Dominik von mir erwarten?, fragte ich mich. Was würde solch einen Mann zufriedenstellen?
    Sex? Die naheliegendste Antwort. Nein, dachte ich, trotz allem war es das wohl nicht.
    Ein Mann, der Sex mit mir haben wollte, hätte mich schlicht zum Essen ausgeführt. Und ein wohlhabender Freund klassischer Musik, der gerne Mäzen spielen wollte, hätte mir die Geige auch ohne das ganze Theater geschickt.
    Dominik musste etwas anderes vorhaben. Er wirkte nicht wie ein Psychopath, sondern eher wie jemand, der Freude am Spiel hatte. Blieb die Frage, ob er so etwas wie ein Ziel ansteuerte, irgendeine Art Endspiel, oder ob er einfach nur reich und gelangweilt war.
    Natürlich hätte ich die Geige zurückschicken können, und das wäre vielleicht sogar das Richtige gewesen. Doch ehrlich gesagt, war es nicht allein die Geige, die mich neugierig machte.
    Vielmehr wollte ich wissen, was Dominik als Nächstes im Sinn hatte.
    Einige Tage später klingelte mein Telefon.
    Er begann zu sprechen, ehe ich auch nur Hallo sagen konnte. Statt mich darüber aufzuregen, beschloss ich, ihn ausreden zu lassen.
    »Summer?«
    »Ja.«
    Er teilte mir kühl mit, dass ich in der kommenden Woche am Nachmittag für ihn spielen solle. Das Streichquartett Nr. 1 des tschechischen Komponisten Smetana – glücklicherweise ein Stück, das ich mochte und auch einigermaßen beherrschte, da es eines der Lieblingsquartette von Mr. van der Vliet gewesen war. Ich würde es mit drei anderen Streichern vortragen, die mit dem Stück vertraut seien; die Violine und die Bratsche hätten es schon früher bei Auftritten gespielt. Niemand erfahre davon, auch auf die Diskretion der anderen beteiligten Musiker könne ich zählen, sie hätten Stillschweigen geschworen.
    Was mir sehr recht war, denn ich sollte nackt auftreten.
    Die drei Streicher müssten Augenbinden anlegen, ehe ich mich auszog. Allein Dominik würde mich in all meiner Nacktheit sehen können.
    Kaum hatte er das Wort »nackt« ausgesprochen, schoss eine heiße Welle durch meinen Körper. Du musst Nein sagen, dachte ich. Er hat gerade unverblümt von dir gefordert, dich vor seinen Augen auszuziehen. Doch wenn ich ablehnte, würde ich nie erfahren, welche Absichten er damit verband. Außerdem, dachte ich, war es ja rein rechnerisch betrachtet unser drittes Date. Da ich gelegentlich schon beim ersten Treffen mit einem Mann nach Hause ging, fiel die Sache nicht wirklich aus dem Rahmen, außer dass ich schon von vornherein

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